Interview mit Garry Marshall zu »Mother's Day«

Dieses Lachen war Magie pur
Interview mit Garry Marshall

Garry Marshall

Ein letztes Gespräch mit Garry Marshall (13.11.1934 - 19.7.2016), der Julia Roberts mit »Pretty Woman« zu Starruhm verhalf. Mit »Mother's Day – Liebe ist kein Kinderspiel« startet nun sein letzter Film im Kino 

Seine Karriere begann Garry Marshall in den Fünfziger Jahren zunächst als Comedy-Autor und Schauspieler, bevor er in den Siebziger Jahren mit Fernsehserien wie »Männerwirtschaft«, »Happy Days« und »Mork vom Ork« riesige Erfolge feierte. Seine ersten Regiearbeiten fürs Kino waren die Komödien »Küss mich, Doc« und »Flamingo Kid«, es folgten bis heute beliebte Kassenhits wie »Overboard – Ein Goldfisch fällt ins Wasser« mit Goldie Hawn, »Freundinnen« mit Bette Midler, »Plötzlich Prinzessin« mit Anne Hathaway und natürlich »Pretty Woman« und »Die Braut, die sich nicht traut« mit Julia Roberts. Zuletzt inszenierte er die prominent besetzten, aber von der Kritik wenig geliebten Feiertags-Episodenfilme »Valentinstag« und »Happy New Year«, denen er nun »Mother's Day – Liebe ist kein Kinderspiel« folgen lässt. Aus Anlass dieses Films trafen wir den 81-jährigen im März in Los Angeles zum Interview, nur wenige Monate bevor er am 19. Juli verstarb.

epd Film: Mr. Marshall, wenn man Sie trifft, sprühen Sie jedes Mal vor Lebensfreude und guter Laune. Auch Ihre Filme spiegeln diese Stimmung stets wieder. Blenden Sie das Übel der Welt aus?

Garry Marshall: So würde ich das nicht sagen. Ich weiß sehr wohl, wie es da draußen zugeht. Natürlich weiß ich, dass das Leben nicht perfekt ist, und das zeigen uns Film und Fernsehen ja auch oft genug. Aber das ist ja nicht das einzige, was man erzählen kann. Das war schon so, als ich als ich in den Siebziger Jahren meine Sitcom »Happy Days« ins Kino brachte. Darin ging es nicht um eine reale Familie, sondern darum, wie eine Familie im Idealfall sein könnte. Die Zuschauer haben nicht nur gewusst, dass es da auf dem Bildschirm womöglich etwas positiver zugeht als bei ihnen zuhause. Sondern sie fanden auch Gefallen daran.

Sie mussten sich doch dafür aber auch immer wieder Kritik anhören, oder?

Natürlich. Bei »Pretty Woman« zum Beispiel waren etliche Kritiker empört, dass ich die Welt der Prostitution beschönige. Wo sind die Drogen, wo ist die Kriminalität? Aber wann immer ich Zuschauer fragte, ob Ihnen an dem Film etwas fehlt, war die Antwort: nein, wir kennen die Realität, deswegen war es gerade so schön, mal eine andere Seite des Milieus zu sehen. Selbst wenn sie fiktiv ist. Ich glaube, es wird immer ein Publikum für Geschichten geben, die von meiner Vorliebe für Hoffnung leben.

Ihre Spezialität war immer das Genre der Romantic Comedies. Eine sichere Bank?

Kann man so nicht sagen. Schon damals bei »Pretty Woman« wurde ich gewarnt, dass sich das außerhalb Amerikas niemand ansehen würde, da man in Europa keine romantischen Komödien mag. Doch das Gegenteil war der Fall. Und in Indien gab es sogar Kinos, die den Film mehr als ein Jahr lang jeden Tag spielten! Sicherlich wird es immer einen Platz für solche Filme geben. Aber es wird schwerer und schwerer sie umzusetzen, denn die Studios wollen nur noch Franchises mit Comic-Helden umsetzen. Ich habe gar nichts gegen Superman und Batman, schließlich bin ich selbst mit denen aufgewachsen. Aber leider habe ich kein Händchen dafür, Dinge vor der Kamera in die Luft fliegen zu lassen. Und die Arbeit mit Green Screen ist auch nicht wirklich mein Ding.

Wo wir nun schon bei »Pretty Woman« waren: in Ihrem neuen Film »Mother's Day« ist nun Julia Roberts auch wieder mit von der Partie – und Sie erweisen Ihrem größten Erfolg selbst Referenz.

Ich hatte viel Freude daran, damit ein bisschen zu spielen. Allerdings wollte ich es auch nicht übertreiben. Eine kleine gemeinsame Szene mit Julia und meinem guten Freund Hector Elizondo, in der es um eine Salatgabel geht, musste reichen. Die Fans von »Pretty Woman« verstehen das sicher sofort. Und für Julia war es ein wunderbarer, berührender Moment bei den Dreharbeiten.

Warum?

Sie fühlte sich – genau wie ich natürlich – sofort an den Dreh damals erinnert. Wie jung sie damals war! Während der Arbeit an »Pretty Woman« wurde sie 21 Jahre alt, und wir feierten ihren Geburtstag nachts in einer Drehpause, in einer kleinen Gasse am Hollywood Boulevard. Für mehr als einen Schluck Champagner und das Auspusten einer Kerze war damals keine Zeit, aber Hector war extra ans Set gekommen. Für Julia ein Moment, den sie nie vergessen hat.

Offensichtlich auch für Sie. Sind Sie jemand, der gerne in Erinnerungen schwelgt?

Das gehört vermutlich dazu, wenn man so ein alter Mann ist wie ich, oder? Nicht dass ich ausschließlich nostalgisch bin, ich lebe auch sehr gerne im Moment. Aber mein Leben war voller magischer Momente, warum sollte ich nicht gerne daran zurückdenken? Auch deswegen habe ich immer wieder gerne mit den gleichen Menschen zusammengearbeitet, denn dann führt man solche Momente fort. Und ich liebe es, wenn sich Kreise schließen. Nicht nur mit Julia, sondern zum Beispiel auch mit Kate Hudson. Sie saß als Kind bei mir auf dem Schoß während der Dreharbeiten zu »Overboard«, in dem ihre Mutter Goldie Hawn die Hauptrolle spielte. Später besetzte ich sie in »Liebe auf Umwegen«, da war sie gerade schwanger mit ihrem ersten Kind. Und nun saß ihr zweiter Sohn bei mir auf dem Schoß, als wir »Mother's Day« drehten. Wie könnte man da nicht in Erinnerungen schwelgen?

Es ist sicher kein Zufall, dass in fast allen Ihren Kinofilmen Frauen im Zentrum standen, oder?

Das war nie eine bewusste Agenda. Aber anders als anderen Männern und Regisseuren machen mir Frauen eben keine Angst. Mein Sternzeichen ist Skorpion – und meine Wurzeln sind italienisch. Das erklärt wohl schon fast alles. Ich war mein Leben lang umringt von Schwester, Töchtern, Enkelinnen. Etwas Besseres kann ich mir nicht vorstellen.

Werden Sie der Arbeit eigentlich nie überdrüssig? Andere Leute haben sich in Ihrem Leben längst zur Ruhe gesetzt...

Auch nach 18 Filmen als Regisseur, etlichen als Produzent und Autor sowie den ganzen Fernsehserien liebe ich meinen Beruf einfach immer noch unglaublich. Er macht mir jeden Tag Freude. Und er hält mich jung. Menschen in meinem Alter sitzen sonst ja nicht selten auf Parkbänken herum und beschweren sich über ihre Zipperlein. Würde mir keinen Spaß machen. Da bin ich lieber an einem Filmset und lasse mich von der Energie 20-jähriger Schauspieler anstecken.

Apropos Nachwuchsschauspieler: nicht wenige Stars verdanken Ihnen ihre Karrieren, von Mayim Bialik, die Sie einst für »Freundinnen« entdeckten und die nun ein TV-Star ist, bis hin zu Anne Hathaway und natürlich Julia Roberts. Woran erkennen Sie, ob jemand das Potenzial zu Großem hat?

In Worte fassen lässt sich das kaum, aber dass ich so etwas mitunter entdecke, verdanke ich meiner Mutter. Sie war Tanzlehrerin, und weil kein Geld für einen Babysitter da war, kam ich oft mit zu ihren Proben und spielte dort Schlagzeug. Sie sagte oft zu mir: »Guck Dir dieses Mädchen an, die hat das gewisse Etwas. Die bringt den Raum zum Leuchten.« Auch sie hatte kein Patentrezept, aber von ihr bekam ich die Gewissheit, dass man diese ganz spezielle Magie mancher Menschen sehen kann, wenn man aufmerksam ist und darauf achtet. Deswegen beobachte ich bis heute meine Schauspieler permanent, nicht nur zwischen »Action« und »Cut«. Denn nicht selten findet man das Besondere dort, wo man nicht unbedingt damit rechnet.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Nehmen wir Julia Roberts. Deren Starpotential sah ich früh, deswegen habe ich ihr ja die Rolle in »Pretty Woman« gegeben. Aber was wirklich in ihr steckt, realisierte ich mitten während der Dreharbeiten. Julia war damals jung und viel auf Partys, deswegen war sie manchmal ein wenig müde. Für die Szene, in der Richard Gere ihr die Schatulle mit der Halskette überreicht, wollte ich sie etwas wachrütteln, also bat ihn, im ersten Take die Box genau dann zuzuklappen als sie hineingreift. Genau das machte er, sie lachte laut und rief dann »Oh, Gary, lass das!« Wir drehten die Szene dann noch mehrmals und eigentlich wollte ich die erste Aufnahme später für die Zusammenstellung der lustigsten Patzer verwenden. Doch dann sah ich sie mir im Schneideraum an und wusste: dieses Lachen ist Magie pur. Also landete sie im Film – und ist heute einer der bekanntesten »Pretty Woman«-Momente überhaupt.

»Mother's Day – Liebe ist kein Kinderspiel« startet am 25.8. in den deutschen Kinos

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