Bernd Perplies und Christian Humberg über den ersten deutschen »Star Trek«-Roman

Ärger im Lembatta-Cluster
Christian Humberg und Bernd Perplies bei einer Lesung

Christian Humberg und Bernd Perplies bei einer Lesung

Parallelwelten, ja, klar. Da wären zum Beispiel die »Star Trek«-Romane, die ein ganz eigenes Universum entfalten. Bernd Perplies und Christian Humberg sind die Ersten, die einen deutschen »Trek«-Roman schreiben durften. Wie konnte es dazu kommen?

epd Film: Sie sind beide um die Vierzig, haben »Star Trek« also nicht beim Start im deutschen Fernsehen gesehen. Was war Ihr Erstkontakt?

Humberg: Das war in der Kindheit, im ZDF, aber es müssen Wiederholungen der klassischen Serie gewesen sein. Ich weiß noch, wann immer die Klingonen kamen, habe ich mich hinter Papas Fernsehsessel versteckt. Als Ende der 80er »The Next Generation« bei uns ins Fernsehen kam, war ich dann sehr bewusst dabei. Ich habe Kontakte zu Fanclubs geknüpft und erste Artikel für Fanzines geschrieben.
Perplies: Bei mir fing es mit »Next Generation« an, um 1990. Irgendwie muss zeitnah aber auch die Originalserie gelaufen sein. Parallel dazu kamen Taschenbücher zu »Star Trek« heraus, die haben wir in der Schule herumgehen lassen.

Und Sie haben durchgehalten bis zur wenig ­populären letzten Serie »Enterprise«?

Humberg: Die letzten beiden Serien und die neueren Filme waren eher schmerzlich. Aber Fan ist Fan. Wie beim Fußball: Wenn die scheiße spielen, muss man trotzdem dabei sein.
Perplies: Ich konnte jeder TV-Serie etwas abgewinnen. Mit den Abrams-Filmen habe ich mich aber auch schwergetan .

Ihr »Trek«-Roman ist eine Trilogie, fast 1.500 Seiten, »Prometheus«. Um was geht es?

Perplies: Die Geschichte spielt fünf Jahre nach dem letzten Kinofilm mit der »Enterprise«-Crew um Patrick Stewarts Captain Picard, »Star Trek: Nemesis«. Die Föderation ist nach einer Reihe von Kriegen an einem Wendepunkt. Vieles von dem, was sie sein möchte, eine Gemeinschaft, die forscht und entdeckt, ging in den Kämpfen verloren. Nun aber richtet sich der Blick wieder optimistisch nach vorne. Just in dem Moment taucht ein wenig beachtetes Volk auf, im Lembatta-Cluster, einem Gebiet zwischen der Föderation und dem klingonischen Reich. Von dort ausgehend finden Anschläge statt. Um einem neuen Konflikt entgegenzuwirken, werden zwei Schiffe mit sehr unterschiedlichen Captains losgeschickt – einem kriegsmüden, schon etwas älteren Föderationskommandanten und einem jungen, ehrgeizigen Klingonen.
Humberg: Wir haben versucht, wieder »Star Trek« mit Gegenwartsbezug zu schreiben, etwas, das der Wirklichkeit den Spiegel vorhält. Das heißt, wir sind hier bis zur Unterlippe – im Terrorismus. Weil »Star Trek«-Geschichten auch immer stark charakterbezogen sind, haben wir Crews gesucht, die vielschichtig sind und sich zum Teil aus bekannten Gesichtern rekrutieren. Auf dem Föderationsschiff Prometheus tun Figuren Dienst, die der sehr interessierte Fan aus alten Folgen und Filmen kennen wird, die aber der Neuleser nicht kennen muss, um die Geschichte zu verstehen.

Wen könnte ich kennen?

Humberg: Einer hat spitze Ohren und war schon in der allerersten »Star Trek«-Folge dabei.
Perplies: Der ist aber kein Besatzungsmitglied, sondern ein Berater. Die Prämisse war: 50 Jahre »Star Trek« – wir wollen so viel wie möglich aus dem ganzen Trek-Universum drinhaben. Also haben wir neben dem von Christian erwähnten Herrn drei Nebenfiguren aus Voyager, Deep Space Nine und TNG genommen. Der erste ist Mendon, ein Benzit, der als Austauschoffizier auf der Enterprise gewesen ist...

Da muss ich schon ­kapitulieren

Perplies: Er war auch nur in einer Episode. Wir haben wirklich randständige Leute genommen und die – das ist typisch für »Star Trek«-Romane – wichtig gemacht, befördert. Es sind auch deshalb kleine Namen, weil wir mit der Trilogie nicht dem widersprechen wollten, was die amerikanischen Buchautoren machen. Wir wollten uns in das Trek-Literaturuniversum eingliedern.

Wie wird man Star Trek-Romanautor?

Perplies: Wir kennen uns seit dem Studium, schreiben zusammen Artikel und Romane, aktuell zwei Kinderbuchreihen. Und wir hatten schon zehn Jahre für den Verlag Cross Cult »Star Trek« übersetzt. Lange war es nicht möglich, deutsche »Star Trek«-Romane zu schreiben. Das Exklusivrecht lag in den USA bei Pocket Books. Kurz vor dem 50-jährigen Jubiläum hat sich die Lizenzsituation geändert. Cross Cult hat lange und hart verhandelt, nach einem Jahr bekamen wir grünes Licht. Geschrieben haben wir parallel, auf der Basis eines ausführlichen Exposés, aber mit viel Austausch. Und danach mussten wir die Bücher noch ins Englische übersetzen lassen.

Damit die Amerikaner sehen konnten, wie Sie das machen.

Perplies: Genau, bei CBS. Die haben sozusagen jeden Satz geprüft und abgenickt. Vereinzelt wurden auch Korrekturen gefordert, aber nur Kleinigkeiten. Es ging darum, dass mal eine Uniform nicht stimmte oder eine Figur sich seltsam benommen hat.
Humberg: »Star Trek« ist nicht unser Produkt, es ist nicht unsere Schöpfung. Es gehört CBS/Paramount Pictures – wir dürfen nur in deren Sandkasten spielen. Natürlich ist auf diesem Hintergrund alles, was die sagen, Gesetz.

Das heißt, Sie konnten nicht Spocks Heimat Vulkan in die Luft sprengen, wie J. J. Abrams das im Film getan hat?

Humberg: Richtig. Wir als Romanautoren müssen auf die Handlung der Serien und Filme Rücksicht nehmen. Für die Studioleute gilt das umgekehrt nicht. Die Romane und ihre Continuity gehören nicht zum Kanon. Das sind Lizenzprodukte. Auch wenn sie schön sind, sind sie nicht mehr wert als ein bedruckter Becher bei McDonald’s im ­Happy Meal. Sie verpflichten die Kinomacher zu nichts.

Aber unter den Trek-Romanautoren gibt es doch etablierte, sogar preisgekrönte SF-Schriftsteller: Greg Bear, Vonda McIntyre, Joe Haldeman.

Humberg: Das war in den Siebzigern und Achtzigern; die Sie nennen, sind natürlich Genregrößen. Heute sind vor allem professionelle Tie-in-Romanschreiber am Start, die neben »Star Trek« auch mal Bücher zu Homeland, Akte X oder »24« verfassen, aber keinen großen Namen für sich haben.

Was zeichnet »Star Trek« für Sie aus?

Humberg: Das Utopische. Gene Roddenberrys Idee von einem advanced human: der Mensch, der hinausgeht, der sich öffnet und sich weiterentwickeln will. »Star Trek« ist keine Dystopie, wie wir sie aktuell so oft im Fernsehen und im Kino sehen. Wenn ich an »Batman vs. Superman« denke, wo ich keine Figur sympathisch fand und fast jedes Bild doomsday-mäßig war – da ist »Star Trek« eine ganz andere Hausnummer. Und ich glaube, es ist die Hausnummer, die wir gerade wieder brauchen.
Perplies: Ich ziehe gerne den Vergleich mit »Star Wars«, das eher ein Fun- oder Pulp-Universum entwirft. Bei »Star Trek« sind die Themen komplexer und erwachsener.
Humberg: Dementsprechend lässt sich »Star Trek« auch schwerer vermarkten.
Perplies: Wozu man sagen muss, dass das nur für die Serien gilt. Die Filme, gerade die von J. J. Abrams, nähern sich ja sehr dem Action- und Fun-Publikum.

Warum schwächelt »Star Trek« seit fünfzehn Jahren so? Liegt es an der allgemein apokalyptischen Stimmung?

Humberg: Ich glaube, einer der Gründe, warum »Star Trek« irgendwann nicht mehr Thema war, ist, dass es sich selbst irrelevant gemacht hat. Die letzten Serien unter Rick Berman, der als Produzent in den Neunzigern von Roddenberry übernommen hat und 2006 verabschiedet wurde, waren Kopien dessen, was sie schon mal gemacht hatten.
Perplies: Ich glaube auch, es war ein Problem der Sehgewohnheiten oder Wünsche des Publikums. Es stimmt, dass TV-Serien unglaublich düster geworden sind und Qualität oft mit kaputten Charakteren, Sex und Gewalt gleichgesetzt wird. Für »Star Trek« ist es schwer, da nicht langweilig zu wirken.

»Star Trek« wurde mit »Deep Space Nine« auch gebrochener. Die Lage um die Station – das war wie der Balkankrieg.

Humberg: Genau diesen Schritt aber haben sie mit »Voyager« schon wieder rückgängig gemacht. Ich glaube, J. Michael Straczynski von »Babylon 5«, einer anderen Raumstationserie, hat damals gesagt, »Star Trek« sei mittlerweile so etwas wie ein teurer Porsche, den man sich nicht mehr aus der Garage zu fahren traut, weil man Angst hat, er könnte einen Kratzer bekommen.

Was sind Ihre »Trek«-Momente? Lieblings­serien, Episoden des Grauens?

Humberg: Eine meiner Lieblingsepisoden ist »The Inner Light«, das ist die, in der Captain Picard die Flöte bekommt und ein komplettes Leben als eine andere Person durchmacht.
Perplies: Lange Zeit war »Next Generation« mein Favorit unter den »Trek«-Serien. »Deep Space Nine« fand ich als junger Zuschauer zu langweilig, vielleicht weil da kein Raumschiff im Zentrum stand, sondern eine Station. Mittlerweile hat sich das geändert. Lieblingsfilm? »Star Trek VI: Das unentdeckte Land«. Der, in dem die Klingonen und die Föderation das Kriegsbeil begraben und als Kommentar zum Ende des Eisernen Vorhangs versuchen, einen Zugang zueinander zu finden.
Humberg: Eine Episode des Grauens war die »Voyager«-Folge, in der Tom Paris, der Pilot, die Warp-Höchstgeschwindigkeit überschreitet und auf einem fernen Planeten mit Captain Janeway zum Lurch zurückmutiert.

Die war allerdings bizarr.

Humberg: Meine liebste Classic-Folge ist »The City on the Edge of Forever«. Da gibt es diese Szene, in der Kirk mit Edith Keeler, gespielt von Joan Collins, spazieren geht; sie schauen zum Sternenhimmel hinauf, und Kirk sagt: »Irgendwo da oben sagt gerade jemand die drei wichtigsten Worte zu irgendjemand anderem.« Darauf sie, ganz romantisch: »Ich liebe dich.« Und er: »Nein, ›Lass mich helfen.‹« Das ist »Star Trek«.

Die Perplies-Humberg-Productions

Star Trek – Prometheus: Feuer gegen FeuerDer Ursprung allen ZornsIns Herz des Chaos; im August bei Cross Cult, je 15 €.

Für September ist der zweite Band der Jugendkrimiserie »Die unheimlichen Fälle des Lucius Adler« angekündigt; die Reihe »Drachengasse 13« erscheint bei Schneider-Buch.

 

 

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