Interview mit John Maclean über seinen Film »Slow West«

John Maclean (Mitte) am Set von »Slow West« (2015)

John Maclean (Mitte) am Set von »Slow West« (2015)

Mr. Maclean, war der Titel »Slow West« programmatisch für diesen Film – oder kam er erst später?

Die Wahrheit liegt in der Mitte: als ich am Drehbuch saß, änderte ich den Titel in »Slow West«.

Flossen in das Drehbuch auch Erzählungen ein über Schotten, die damals in die Neue Welt auswanderten?

Ja, viele Landarbeiter wurden damals von ihren Ländereien vertrieben. Aber in dem Film geht es ja nicht nur um Realismus, er ist eher ein Stück Folklore.

Gab es andere Filme, die für Sie wichtig waren, die Sie inspirierten oder umgekehrt Ihnen zeigten, wie man es eher nicht machen sollte?

Viele! Visuell habe ich mich am Kino Robert Bressons orientiert, generell am Kino der fünfziger und sechziger Jahre, auch viel japanisches Kino aus der Zeit wie »Onibaba« oder »Die Frau in den Dünen«, einfach, um dem Sergio Leone-Look fernzubleiben. Eine Handvoll Leute in einer ungewöhnlichen Landschaft, das war der Ansatz.

Michael Fassbender war schon der Protagonist Ihres ersten Kurzfilms »Man on a Mororcycle«, den Sie 2009 ausschließlich mit einer Handykamera drehten. Erinnern Sie Sich noch an Ihr erstes Treffen mit ihm?

Das war nervenaufreibend, denn er war der erste Schauspieler, mit dem ich gearbeitet habe – bis dahin hatte ich immer nur mit Freunden gearbeitet. Ich war ziemlich eingeschüchtert, denn durch »Hunger« war er damals schon ziemlich prominent. Aber da er so ein netter Mensch ist, entwickelte sich ziemlich schnell eine Beziehung. Der erste Drehtag war extrem wichtig, ich hatte den Eindruck, wenn das funktionieren würde, könnte das zu etwas großem führen – oder aber ich hätte meine Chance verpasst.

Haben Sie ihn damals mit der Qualität des Drehbuches überzeugt oder mit etwas anderem?

Ich denke, er sah eine bestimmte Qualität in der Arbeit, die ich zuvor mit Freunden gemacht hatte. Das Drehbuch war dann der nächste Schritt. Dazu kamen meine Ambitionen, dass ich den Film im Guerillastil drehen wollte, ohne großes Team, ohne Genehmigungen, einfach ein aufregender Dreh.

War es schon damals schwierig, den richtigen Zeitpunkt für die Dreharbeiten zu finden, weil er so beschäftigt ist?

Oh ja, er drehte damals seinen ersten »X-Men«-Film, schließlich hatten wir drei Tage, aber noch am Tag vor dem Dreh bekam ich Anrufe, dass es auf der Kippe stand, weil sich bei »X-Men« der Drehplan ändern könnte. Ich versuchte, meine Ruhe zu bewahren und hielt die Finger gekreuzt.

Und wie war es bei »Slow West«? Sagte er, "Tolles Drehbuch, lass uns loslegen!" Oder hatte er eigene Vorstellungen, was das Drehbuch anbelangte?

Er ist heute genauso beschäftigt, aber wir fanden ein paar Tage, wo wir das Drehbuch durchgingen. Das war recht produktiv. Ich ließ seine Figur relativ offen, so dass er sie selber ausfüllen konnte. Wenn er irgendwelche Fragen hatte, dann stellte er die.

Haben Sie mit der Suche nach einem Produzenten gewartet, bis sie Michaels Zusage hatten? Die machte die Finanzierung sicherlich leichter?

Das stimmt. Er war ja auch Executive Producer. Die Entscheidung für eine Produktionsfirma hing vor allem vom Drehort ab: würde ich in Amerika drehen, dann sollte es ein amerikanischer Produzent sein. Als ich schließlich Interesse an Neuseeland als Drehort äußerte, fand ich einen Produzenten von dort und eine neuseeländisch-australische Produktionsgesellschaft.

Seit Peter Jackson dort seine aufwändigen Produktionen realisiert hat, gibt es sicherlich viele einheimische Talente dort…

Wenn man dort dreht und Peter Jackson ist nicht gerade parallel zugange, hat man sehr viele Talente zur Verfügung. Ich habe mit vielen von ihnen gearbeitet, hatte Leute aus seinem FX-Team, beim Makeup und bei den Pferdestunts.

Haben Sie dort nach Orten Ausschau gehalten, die amerikanischen Landschaften entsprachen oder waren es eher neuseeländische Landschaften, die visuell interessant waren?

Ich war zuerst in Colorado, denn die Landschaft, in der ich die Geschichte angesiedelt hatte, ist ziemlich spezifisch für Süd-Colorado, die sogenannten Großen Dünen, mit viel Wald und Weißbirken, eine eher flache Landschaft. Die fand ich in Neuseelandschaft ziemlich schnell wieder. Der amerikanische Westen wird vielfach immer noch mit Monument Valley gleich gesetzt, bietet aber doch so viel mehr.

Wie kamen Sie auf Colorado? Gab es dort eine schottische Community?

Dort gibt es viele Wälder und ich wollte unbedingt einen Wald-Western drehen. Das war auch in den japanischen Filmen, die ich erwähnte, ein wichtiges Element.

Sie waren Gründungsmitglied der "Beta Band" und später von "The Aliens". Inwiefern haben Ihre musikalischen Erfahrungen Sie beim Filmemachen beeinflusst?

Natürlich bei der Musik selber, aber ich würde sagen, noch mehr beim Schnitt und dessen Timing, auch bei der Tonmontage und beim Sounddesign.

Einerseits hat »Slow West« märchenhafte Züge, mit einem jungen Helden, der auf der Suche nach seiner verlorenen Liebe eine große Reise antritt, andererseits ist das Ende nicht unbedingt märchenhaft.

Es ist und ist auch wieder nicht. Wir sprechen vom Tod der Jugend und der Geburt des Mannes. Der Tod ist ja in vielen Märchen präsent, ich hatte hier die Gebrüder Grimm vor Augen. Die Idee für dieses Ende hatte ich schon ziemlich früh, die Verbindungen zum Märchen ergaben sich eher, als ich mir die Bilder vorstellte. Ich wollte die Frau jedenfalls nicht als damsel-in-distress darstellen, die vom Helden gerettet wird.

Gibt es andere schottische Filmemacher, zu deren Arbeit Sie eine Beziehung spüren?

Ich schätze Bill Douglas und auch Bill Forsyth.

Würden Sie sagen, dass es eine spezielle Art von schottischem Humor gibt?

Ja, gerade in Bill Forsyths »Gregory's Girl« ist der gut sichtbar.

Hatten Sie schon Zeit, über ein Nachfolgeprojekt nachzudenken?

Ich bin nicht gut darin, an sich überlappenden Projekten zu arbeiten, aber ich denke an einen Gegenwartsstoff, etwas ziemlich anderes.

»Slow West« hatte seine Premiere im Januar beim Festival von Sundance, wo er mit dem Grand Jury Prize ausgezeichnet wurde. Gab es danach schon Angebote der US-amerikanischen Studios?

Einige wenige, aber ich bin da sehr vorsichtig, ich glaube nicht, dass ich ein Regisseur bin, den man für jedes Projekt engagieren kann, ich habe mein Team, das ich ausbauen möchte. Das schätze ich sehr.

Wird Musik weiterhin eine große Rolle für Sie spielen? Werden Sie etwa wieder Musikvideos drehen?

Wenn ich eine gute Idee habe, dann ja. Nur des Geldes wegen möchte ich das nicht machen. Ich bin aber kein großer Anhänger von Biopics, so etwas möchte ich nicht machen.

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