Interview mit Colin Trevorrow zu »Jurassic World«

Ich finde es in Ordnung, Kinder zu erschrecken
Colin Trevorrow

Der Regisseur Colin Trevorrow über »Jurassic World«

Ihr Kollege Gareth Edwards debütierte mit »Monsters« und drehte als zweiten Film »Godzilla«, bei Ihnen folgt auf »Safety Not Guaranteed« mit »Jurassic World« ebenfalls ein sehr teurer Film: würden Sie sagen, dass es heute leichter geworden, in die Blockbuster-Liga aufzusteigen? 

Ob es leichter geworden ist, kann ich nicht sagen, aber es gibt in der Tat einen Trend, bei Blockbustern auf jüngere Filmemacher zurückzugreifen um zu sehen, was sie diesen großen Filmen an Qualitäten hinzufügen können. Das klappt nicht immer, denn wenn man mit einem kleinen Independent-Film debütiert, hat man noch nicht unbedingt seine eigene Stimme als Filmemacher gefunden. Ich glaube, es hat noch keine Epoche in der Filmgeschichte zuvor gegeben, wo Filmemacher aufgefordert wurden, ihre eigene Stimme in so kurzer Zeit zu finden wie es bei mir und Gareth der Fall war.  

Haben Sie zuvor einen Crashkurs gemacht, "Wie drehe einen Multimillionen-Dollar-Film?"

Nein, der Crashkurs war der Film selber. Ich denke, wer mich als nächstes für so einen Film engagiert, macht einen guten Deal, da ich gerade meinen Master gemacht habe. Aber ich hatte mit Steven Spielberg natürlich einen guten Professor. Miles Davis hat einmal gesagt, "jeder Musiker, der spielen kann, was er denkt, ist ein guter Musiker. Aber der Unterschied zwischen einem guten und einem großartigen Musiker ist das, was er denkt." In diesem Fall wurde ich mehr für das engagiert, was ich denke und wie ich denke - als für eine spezifische Fähigkeit.  

Bekamen Sie die letzte Fassung des Drehbuches von Rick Jaffa & Amanda Silver mit Hinweisen, was daran nicht funktionierte? Oder wie lief das ab? 

Nein, mir wurde nie von irgendjemandem gesagt, was ich machen sollte. Ich erklärte gleich zu Anfang, dass, wenn ich mich bei diesem Projekt wohlfühlen wollte, ich alleinverantwortlich für die Fehler sein müsste – aber alle verantwortlich für den Erfolg. Steven gab mir also die Möglichkeit, das vorhandene Drehbuch nicht zu nutzen und stattdessen ein neues zu schreiben. Der Unterschied zwischen einem unabhängigen und einem Studiofilm ist, so werden es Ihnen viele Filmemacher sagen, dass sie bei dem unabhängigen Film größere künstlerische Freiheit hatten – ich dagegen hatte hier größere Freiheiten als bei meinem Debütfilm.  

Haben Sie denn überhaupt irgendwelche Ideen aus dem ursprünglichen Drehbuch genutzt? 

Wir haben Ideen von Steven genutzt, die Eingang in jenes Drehbuch gefunden hatten, zumal die Idee "der Park ist geöffnet und es gibt einen genetisch modifizierten Saurier, der die Menschen bedroht". Außerdem gab es in dem Drehbuch zwei Jungen, das sahen wir als Möglichkeit, eine Beziehung zwischen zwei Figuren zu etablieren, wobei wir die mögliche bevorstehende Scheidung der Eltern hinzufügten. All diese Filme dürsten nach menschlichen Beziehungen und einer emotionalen Nähe zu den Figuren, nach einem Element des Realismus. 

Mir gefiel die Idee der vier jungen Raptoren: wie sie untereinander kommunizieren und sich gewissermaßen zwischen zwei Vätern, ihrem Trainer und dem Indominus Rex, entscheiden müssen. War es schwer für Sie, dass sie nicht Teil des Happy Ends waren? 

Ja, das war es. Aber es diente dazu, das Ende des Films emotionaler zu machen, sich dabei zu konzentrieren auf einige wenige Lebewesen, mehr das menschliche Drama als das Spektakel in den Vordergrund zu stellen (ohne damit zu leugnen, dass der Film natürlich ein Spektakel ist). Der finale Kampf mit dem Indominus Rex war für uns eher von »Rocky« inspiriert – "steh auf, Rocky! Du schaffst das!".  

Eindrucksvoll war für mich auch die Szene mit den beiden Jungs in der durchsichtigen Kugel, mit der sie alleine die Gegend erkunden und dann von dem Indominus Rex attackiert werden. Wie haben Sie da den Schrecken bei den jungen Darstellern erzeugt?  

Da kam einiges zusammen: die Kugel war real und so befestigt, dass wir sie kippen und auf den Kopf stellen konnten, das war schon einschüchternd. Zudem hatten wir ein fotoreales Abbild des Indominus Rex, der sich zwar nicht bewegte, aber ihm aus nächster Nähe ins Auge zu schauen, hatte schon seine Wirkung. Außerdem drehten wir in einem realen Urwald, es gibt überhaupt nicht so viele Greenscreen-Aufnahmen im Film. Und nicht zuletzt hatten wir zwei Jungs, die ziemlich gute Schauspieler waren. 

Die sich entwickelnde Beziehung zwischen den Figuren von Chris Pratt und Bryce Dallas Howard war für mich sehr konzentriert. Haben Sie da viel herausgeschnitten? 

Nur eine Szene! Das war die komischste Szene im Film, sie funktionierte, aber sie brachte die Handlung nicht voran, verzögerte sogar die Rettung der beiden Jungs und war in diesem Zusammenhang in ihrem komischen Tonfall unpassend. Es war schon so verknappt geschrieben, weil wir wussten, unsere Filmzeit war begrenzt. Ich versuche immer, verschiedene Genres und Stimmungen im selben Film auszubalancieren, das gilt auch für mein Debüt. 

Da Steven Spielberg ja selber fortlaufend Filme inszeniert, war seine Beteiligung beschränkt auf die Vorbereitung und den Schnitt? 

Ja, das kann man so sagen, er war sehr involviert bei der Entwicklung der Story und beim Schreiben und war dann am Schnitt beteiligt, aber mehr in dem Sinn: "Lasst uns hier ein paar Sekunden kürzen". Beim Dreh war er eher mit Notizen präsent und warf einen Blick auf die Muster. Er ist kein Produzent, der "nein" sagt, sondern "Ja - und… "Ein gutes Beispiel war die Szene mit dem Hai, der einem Saurier als Fraß vorgesetzt wird. Das hatte ich ganz knapp geschrieben: der Saurier kommt aus dem Wasser und schnappt den Hai; er aber meinte, die Kamera sollte ihm unter Wasser folgen und zeigen, wie er ihn dort verschlingt. 

Der Film hat eine starke selbstreflexive Komponente. So wie die Verantwortlichen am Anfang konstatieren, dass Dinosaurier niemanden mehr erschrecken würden, und deshalb eine neue Spezies her müsse, muss der Film natürlich auch furchteinflößender Saurier zeigen als vor 22 Jahren »Jurassic Park«… 

Der Indominus Rex steht natürlich für Profit und dafür, wie entmenschlichend es sein kann, dies als oberstes Ziel zu setzen. Wenn man bedenkt, wie lange wir auf der Welt sind und wie lange es die Dinosaurier gab, dann setzt das schon einige Dinge in Perspektive. 

Verglichen mit anderen neuen Blockbustern fand ich »Jurassic World« eher verhalten, was die Dinosaurier-Action anbelangt: eindrucksvoll, aber ohne Overkill. War das etwas, was Sie zu Beginn mit Steven Spielberg besprochen haben, was vielleicht auch den Ausschlag gab, Ihnen diesen Film anzubieten? 

Ich bin mit seinen Filmen aufgewachsen und mir hat immer gefallen, wie ausgefeilt die Figuren in ihnen sind. Das war mir auch bei meinem Debütfilm wichtig. Was mir ebenfalls gefällt, sind Figuren, die auf den ersten Blick nicht unbedingt Sympathieträger sind, wie die Figur von Bryce Dallas Howard oder des älteren Bruders – und dann zu zeigen, wie sie sich ändern. Im amerikanischen Kino gibt es immer die Befürchtung, dass Figuren zu unsympathisch sind. Insofern bin ich Steven und dem Studio dankbar, dass sie mir das hier erlaubt haben. Studios operieren nach dem Prinzip Top oder Flop und ich habe den Eindruck, wenn man sicherstellen kann, dass der Film kommerziell ist, dann kann man sich einiges erlauben. Die Zuschauer erwarten Dinosaurier-Action und die bekommen sie.  

An einige Stellen ist der Film recht intensiv. In Deutschland ist er ab 12 Jahren freigegeben - ich weiß nicht, ob ich ihn als Zwölfjähriger hätte ansehen können. In den USA hat er ein ‚PG’-rating, ist also ab 13 Jahren freigegeben. Mussten Sie dafür bestimmte Schnitttauflagen erfüllen? 

Nein, ich denke, solange die Dinosaurier keinen Sex miteinander haben, ist alles in Ordnung. Gewalt, zumal intensiv dargestellte, ist in anderen Filmen viel stärker. Und da es creatures und keine Menschen sind, ist vieles erlaubt. Ich finde es in Ordnung, Kinder zu erschrecken, sie sollten nicht zu behütet aufwachsen, ich will sie aber nicht für ihr ganzes Leben erschrecken.

... die Kritik zu »Jurassic Wolrd«

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