Interview mit Christoph Hochhäusler über seinen Film »Die Lügen der Sieger«

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Man muss sehr vorsichtig sein mit Erwartungen an das Kino


Ist Die »Lügen der Sieger« für Sie ein Berlin-Film im gleichen Maße wie »Unter Dir die Stadt« ein Frankfurt-Film war?

Ja, auf eine ähnliche Art. Es gibt in Berlin eine bestimmte Art von Medienkonzentration, was politischen Journalismus betrifft, und in Frankfurt natürlich diese Konzentration, was Banking betrifft. Es hat mich aber auch interessiert, einen Film zu machen über diese Berliner Republik. In welchen Räumen bewegt sich das?

Nach »Unter Dir die Stadt« ist dies der zweite Film, bei dem sie beim Drehbuch mit dem Romancier Urich Peltzer zusammenarbeiten. Wie sind Sie ursprünglich zusammen gekommen?

Über eine gemeinsame Freundin, Kathrin Röggla. Ich hatte sie gefragt, ob sie nicht Leute wüsste, die sich interessieren fürs Kino und die schreiben, weil sie sich zwar für das Kino interessiert, aber nicht für das Kino schreiben wollte. Dann hat sie mich mit Ulrich zusammen gebracht und wir haben mit Freude festgestellt, dass es uns leicht fällt, zusammen zu reden und zu schreiben.

Das heißt, sie schreiben eher zusammen, als dass sie Fassungen austauschen und überarbeiten?

Ja, wir sitzen zusammen in einem Raum – einer sitzt am Computer und der andere spricht. So entsteht das, was wir schreiben, tatsächlich gemeinsam. Das hat den Vorzug, dass keine Nebenwege beschritten werden, die dann wieder in komplizierten Verhandlungen vereinigt werden müssen, wie ich das kannte von meinem ersten Film, wo das zum Teil sehr langwierig war. Das ist eine ganz tolle Zusammenarbeit, wir schreiben jetzt auch wieder ein Projekt - auch wenn unsere Terminkalender das manchmal schwierig machen.

Sehen Sie »Die Lügen der Sieger« als klassischen (Polit-)Thriller?

Der Thriller ist ein sehr weiches Genre, eher ein Verfahren als ein Genre. Ich würde schon sagen, das ist ein Thriller, insofern er versucht, alltägliche Verrichtungen aufzuladen und wir Gefahren nutzen, um eine Aufmerksamkeit herzustellen, wie wir sie sonst nicht herstellen könnten für die gleiche Handlung. Das interessiert mich: wie kann ich zu dieser Aufmerksamkeit verführen, dafür sorgen, dass man neu auf die vertrauten Gegenstände schaut?

Auf der anderen Seite haben sie geäußert, es gehe ihnen nicht um "Empörung", was ja doch eines der zentralen Merkmale des Politthrillers ist.

Ich glaube man muss sehr vorsichtig sein mit Erwartungen an das Kino im Sinne einer direkten Aktivierung. Ich jedenfalls habe nicht die Hoffnung, dass ein Film die Welt verändert. Aber vielleicht ist er brauchbar als poetisches Werkzeug, um über die Welt nachzudenken. Das kann ich nur bestätigen, dass Filme das mit mir machen, dass Filme mir helfen, über die Welt nachzudenken, und zwar bleibend. Wenn man eine bestimmte Metapher gefunden hat, die eine bestimmte Konstellation gültig beschreibt, dann ist sie plötzlich in Deinem Werkzeigkasten und man kann mit ihr arbeiten und kann mit ihr über die Welt sprechen.

Politthriller nutzen ja meistens auch sehr stark das Mittel der Identifikation mit dem Protagonisten. Bei diesem Film hatte ich den Eindruck, dass Sie das ein bisschen umgekrempelt haben, ihn also nicht so sympathisch machen…

Ich glaube, das ist Missverständnis: Identifikation hat nichts mit Sympathie zu tun. Wir folgen ja auch mit Freude irgendwelchen Killern… Aber es stimmt, mein Kino ist nicht besonders identifikatorisch.

Wieweit war von daher auch die Besetzung bestimmt? Wie sind Sie auf Florian David Fitz gekommen? Den assoziiert man, gerade seit er angefangen hat, auch als Autor und Regisseur zu arbeiten, eher mit Komödien, manchmal auch solchen mit tragikomischen Untertönen.

Ich fand ihn erst einmal im Casting toll – der kann was, der will was, der ist ehrgeizig. Und er schien mir auf eine Art in dieses amerikanische Paradigma zu passen, mit dem der Film ja auch arbeitet, auch wenn er das dann bricht. Zudem sieht er toll aus, er weckt dieses Gefühl von jemand, der sein Leben unter Kontrolle hat, er ist smart – das konnte ich brauchen. Und daneben war er auch einfach gut, hat sich sehr eingebracht, inhaltlich, als professioneller Schauspieler, in der Hinsicht sehr amerikanisch, dort hat er auch gelernt. Er war wirklich daran interessiert, den Film zu verbessern, er machte viele Vorschläge hinsichtlich seiner Rolle, die er verstehen und gut spielen wollte.

Haben Sie für die Arbeit mit Ihren Schauspielern eine einheitliche Herangehensweise? Ist es für Sie wichtig, vorher einen bestimmten Zeitraum für Proben zu haben?

Ich habe früher immer gedacht, Proben würden mir gar nicht liegen, ich habe das vermieden, auch weil ich dachte, man müsste diesen Moment der Fremdheit aufzeigen. Diesmal haben wir Proben gemacht, nicht viel, eine Woche – das hat auf jeden Fall geholfen, ich denke eigentlich, ich werde in Zukunft damit mehr arbeiten, weil man natürlich dann trotzdem noch einmal etwas anderes macht, aber sich etwas erarbeitet, auch ein gegenseitiges Vertrauen – und das ist total nützlich, weil die Dreharbeiten eigentlich immer zu kurz sind und immer unter Druck stattfinden. Wenn man da schon andere Ressourcen hat, gemeinsame Phantasien, Dinge, die man ausprobiert hat oder aber man weiß, so geht es auf keinen Fall, dann ist das hilfreich.

Wie weit ist es wichtig für Sie - gerade in einem Thriller, der ja eher thematisch angelegt ist -, dass die Figuren ein Eigenleben haben? Dass sie nicht nur Funktionsträger sind?

Das ist schon richtig, das ist eine Quadratur des Kreises. Der Thriller, wenn man ihn so definieren kann, ist vor allem ein Management von Informationen, ein Uhrwerk. Dem Charakter da ein Eigenleben zu geben, steht immer in einem gewissen Widerspruch zu diesem Uhrwerk. Diesen Widerspruch konnte ich auch nicht auflösen in dem Film, es gibt beides, es gibt Idiosynkrasien von Schauspielern und Charakteren, die sich da Bahn brechen und dann gibt es dieses Gängelband bestimmter funktionaler Zwänge. An der Frage laboriere ich auch jeden Tag: wie kann es Charaktere, denen man zutraut, dass sie eigentlich keine Puppen sind, geben in einem Film, dessen Plot eine gewisse Arithmetik hat?

Auf eine Liebesgeschichte zwischen den beiden Reportern verzichten Sie...

Das gibt es ja öfter bei Ulrich und mir, dass diese Liebesgeschichten so gar nicht die Erfüllung sind, sondern mehr Zerstörungen. Das war in „Unter Dir die Stadt“ natürlich zentraler.

An einer Stelle schneiden sie einen kurzen Clip mit Humphrey Bogart aus dem Journalistenfilm »Die Maske runter!« (»Deadline U.S.A.«) ein: ist das als Hinweis zu verstehen, dass das heute nicht mehr so einfach ist, am Ende die Öffentlichkeit herzustellen über die aufgedeckten Verbrechen? Es gibt ja immer noch viele Politthriller, die damit enden, dass der Protagonist mit großer Gewissheit verkündet: "Morgen steht es in der Zeitung!"

Da hat sich wirklich etwas verändert: wer kann hoffen, dass ein Skandal noch die hygienische Funktion ausübt, die dann wirklich zum Besseren führt? Selbst wenn es einen Skandal gibt, was ja schon mit einem großen Fragezeichen versehen ist, weil so ein Skandal immer den richtigen Sauerstoff, den richtigen Moment, die richtige Personalisierung braucht. Interessanterweise sind »All the president’s men« oder auch »Die drei Tage des Condor« in der Hinsicht viel optimistischer als »Deadline U.S.A.« Wenn Bogart das sagt, "It’s the press, baby!", dann ist das eigentlich ein Pfeifen im Walde: er weiß, dass die Zeit  vorbei ist, er wird es noch einmal machen, aber dann wird die Zeitung verkauft, an ein Unternehmen, das von der Logik her nur über Anzeigen operiert. Dieser ganze Kampf gegen die Macht war eigentlich ein Aufbäumen einer verlorenen Zeitung. Insofern ist es ein sehr moderner Bezug.

Christian Petzold hat mittlerweile einen »Polizeiruf« für den BR gedreht, der am 28 Juni ausgestrahlt wird. Käme das für Sie in Frage oder müsste es schon so etwas Ambitioniertes wie »Dreileben« sein, bei dem Sie mit ihm und Dominik Graf zusammengearbeitet haben?

So vage haben wir schon mal darüber nachgedacht, aber die haben nicht angeklopft bei uns, das stimmt. Dominik hat aber auch so viel zu tun, dass man mit ihm gar nicht darüber sprechen kann. Für eine Reihe hat noch niemand bei mir angeklopft, ich weiß aber auch nicht, ob ich "Ja" sagen würde, einerseits kränkt es mich, dass niemand anklopft, man will ja "nein" sagen können (lacht), aber der Krimi als Genre liegt mir nicht besonders nahe. Was ich am Krimi nicht mag, ist dieses Retrospektive  - das Wichtige ist immer schon passiert. Insofern ist natürlich ein Journalist eine ähnliche Figur wie ein Kommissar. Ich würde lieber eine Geschichte erzählen, in der ein Verbrechen passiert als in der ein Verbrechen untersucht wird. Ich schreibe mit Ulrich gerade einen Gangsterfilm, der in der Provinz spielt.

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