Filmfest München: Festival wie Flasche voll!

»Alki Alki« (2015)

»Alki Alki« (2015)

Trotz Filmpreis und anderslautender Gerüchte: Der deutsche Film steht gut da, ist experimentierfreudig und originell. Das zeigte sich in diesem Jahr auch in der deutschen Sektion des Filmfests München

Im Vorfeld der Verleihung der diesjährigen Deutschen Filmpreise ging die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, mit dem deutschen Film ein bisschen ins Gericht. »Es gab mal eine mutigere Regisseursgeneration, Künstler wie Werner Herzog, Wim Wenders oder Volker Schlöndorff«, schrieb Grütters den von ihr genannten Regisseuren der »jüngeren Generation« wie Matthias Schweighöfer, Til Schweiger oder den Machern von »Fack ju Göhte« ins Gebetbuch. Sie verstünden ihr Handwerk, machten gekonnte Unterhaltung – als Kulturstaatsministerin interessiere sie jedoch viel mehr das künstlerische Experiment.

Nun mag man zur Ehrenrettung unserer Kulturstaatsministerin annehmen, dass sie einfach in der letzten Zeit die falschen Filme geguckt hat, zu viele Komödien halt mit derbem deutschem Pipikacka-Humor. Oder vielleicht Kinderfilm-Horribilia wie »Ostwind 2«? Denn der deutsche Film besitzt momentan eine Vielfalt wie selten zuvor, innovativ und experimentierfreudig. Was sich vielleicht nicht unbedingt bei den Filmpreisen und ihren Nominierungen durchgeschlagen hat. Aber der Sektion »Neue deutsche Kinofilme« beim diesjährigen Münchner Filmfest konnte man das durchaus ansehen. Die ist seit längerem so etwas wie das Herzstück des Filmfestes, das in diesem Jahr trotz des außergewöhnlich guten Wetters mit einer Besuchersteigerung auf über 80 000 aufwarten konnte.

»Der Nachtmahr« (2015)


Schweighöfer & Co? »Happy Hour« von Franz Müller zum Beispiel war so etwas wie eine Replik auf die Buddy-Komödien à la Schweighöfer – und zeigte, dass es auch anders geht. Drei Männer fahren nach Irland zu so etwas wie einem undefinierten Selbstfindungstrip. Einer, HC, wurde von seiner Frau verlassen, das ist der Anlass des Films. Mal wieder nur unter Freunden sein. Die drei kennen sich seit ihrer Schulzeit – und schleppen ihre Beziehungsstruktur von damals ebenso mit wie ihre gegenwärtige Midlife-Crisis: Wohin du auch fährst, deine Probleme reisen mit dir. Franz Müller lässt es brodeln und zur Explosion kommen. Das ist sehr vergnüglich anzusehen – und über das Leben überhaupt machen die drei sich auch so ihre Gedanken. Sicher, die hohe Qualität des Programms war auch dadurch erkauft, dass viele Filme des Programms im Umfeld des Festivals im Kino starteten, Dietrich Brüggemanns Neonazi-Klamotte »Heil!« etwa, die Doku »Mollath« oder »Becks letzter Sommer«, aber auch »Boy 7« und »Coconut Hero«. Aber vielleicht waren die Filme mit den späten Starts – wenn überhaupt – auch die interessanteren. In dem Teeniehorrorfilm »Der Nachtmahr« verbindet AKIZ (Achim Bornhak) schwarze Romantik mit dem Look von »Spring Breakers« in einem psychedelisch blitzenden und wummernden Rausch. »Babai« von Visar Morina dagegen ist eine eher ruhig erzählte Odyssee eines Jungen aus dem Kosovo in den 90er Jahren nach Deutschland; die irgendwie ungeklärte Vater-Sohn-Beziehung grundiert diesen Film, der nicht zu Unrecht den Förderpreis Neues Deutsches Kino in drei Kategorien erhielt. Und der Dokumentarfilm »Overgames« von Lutz Dammbeck, dem man sich einen Verleih erhofft, war ein echtes Fundstück, ein im positiven Sinne mäanderndes In-Beziehung-Setzen von TV-Shows, Zeitgeschichte, Völkerkunde und dem Wahn der Deutschen in den Jahren 1933 bis 1945. 

Gespannt war man natürlich auch auf »Alki Alki«, den vierten Film des Improvisationsmeisters Axel Ranisch (sein letzter, »Reuber«, lief vor zwei Jahren in der Kinderfilmfest-Sektion). Wieder bringt er seine bevorzugten Schauspieler Heiko Pinkowski und Peter Trabner zusammen, diesmal zu einer Tour de Force in Sachen Sucht. Tobias (Pinkowski) ist Architekt – und Alkoholiker; sein Freund Flasche (Trabner) begleitet ihn überall hin. Natürlich ist dieser Flasche nicht einfach nur ein Freund, sondern so etwas wie Tobias' Nachtmahr oder Alter Ego. Und »Alki Alki« – Ranischs bislang »reifster« Film – auch wenn er sich um die Belange der Realität eigentlich überhaupt nicht schert.

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