Hollywoodsatire versus Western

Nettigkeit als Zeichen von Schwäche: David Cronenberg und Tommy Lee Jones stellen in Cannes ihre neuen Filme vor: Maps to the Stars und The Homesman

Cannes (epd). Wenn der 71-jährige kanadische Regisseur David Cronenberg mit einem Film nach Cannes kommt, fällt ihm automatisch eine Favoritenrolle zu. Mit seinem neuen Film "Maps to the Stars" ist er bereits zum 5. Mal im Wettbewerb des Festivals vertreten. Ausgezeichnet wurde er allerdings zuletzt 1996 mit "Crash", wofür er den Spezialpreis der Jury erhielt. "Maps to the Stars" gehörte zu den heiß erwarteten Filmen in Cannes, nicht zuletzt weil so prominent besetzt ist wie kaum ein anderer Film in Cannes in diesem Jahr: mit "Twilight"-Star Robert Pattinson, der dreifach oscarnominierten Julianne Moore und dem aufsteigenden Star Mia Wasikowska.

"Maps to the Stars" zeigt zwar zu Beginn einen Sternenhimmel, der Titel verweist ironisch jedoch auf jene Touristenrouten, in denen die Häuser der Stars in Hollywood und Umgebung abgefahren werden. Julianne Moore spielt eine alternde Schauspielerin, die um eine Rolle kämpft; Mia Wasikowska, die als junge Unbekannte nach Los Angeles kommt, heuert als ihre "persönliche Assistentin" an. Nebenbei macht sie die Bekanntschaft eines sich als Chauffeur verdingenden Möchtegernschauspielers (Robert Pattinson).

Ein 13-jähriger, verwöhnter Kinderstar, der gerade einen Drogenentzug hinter sich hat, und dessen ehrgeizige Eltern vervollständigen das Bild eines durch und durch kaputten Milieus, in dem Nettigkeit als Zeichen von Schwäche gilt. Verschiedene Figuren werden von Geistern aus ihrer Vergangenheit gejagt und letztlich sind alle durch ein dunkle Geheimnisse verbunden, die der Film nach und nach enthüllt.

Trotz eines glänzend agierenden Ensembles kann Cronenberg dem vertrauten Genre der ätzenden Hollywoodsatire allerdings nichts wirklich Neues hinzufügen. Sein Film, der in Cannes nicht ganz auf die erwartete Begeisterung stieß, leidet unter dem alten Problem des Genres: Man mag mit den Problemen von überprivilegierten Stars nicht wirklich mitfühlen, zumal Cronenberg ihr Verhalten jenseits aller sozialer Norm zeichnet. "Maps to the Stars" fasziniert mit bizarren Wendungen - und lässt sich doch wieder leicht als bloßes Kintopp abschütteln.

Der Schauspielerveteran Tommy Lee Jones, der mit seiner zweiten Kinoregiearbeit nach Cannes kam, zählte dagegen nie zu den echten Favoriten auf die Goldene Palme. Trotzdem war "The Homesman" ein Film, auf den man sich besonders freute. Von Jones erwartet man nicht die Neuerfindung des Genres und nicht die ultimative Wendung im Cannes-Wettbewerb. Man liebt ihn für seine Geradlinigkeit, für seinen Hang zum Konservativen.

Und der "Meister der Brummigkeit" wusste erneut zu liefern. Sein neuer Film ist ein Western, obwohl er ihn selbst als "amerikanischen Geschichtsfilm" etikettiert haben möchte. Der Film hat alles, was das Genre beliebt macht: die Landschaft, die Gemächlichkeit, das Duell von weiblicher Rechtschaffenheit und männlicher Verkommenheit und den Mix von trockenem Humor und Sentimentalität.

Frauen und Frauenprobleme setzen in "The Homesman" die Handlung in Gang, weshalb der Film schnell den Titel eines "feministischen Western" zuerkannt bekam. Tatsächlich steht am Anfang die von Hilary Swank gespielte Figur einer "alten Jungfer" im Zentrum. Sie bekommt den Auftrag, drei Frauen (Miranda Otto, Grace Gummer, Sonja Richter), die über der Härte und den Schicksalsschlägen des Pionierinnendaseins ihren Verstand verloren haben, zurück in die Zivilisation zu bringen. Den alten, zwielichtigen Westerner, den Jones selbst verkörpert, kann sie mit einem Deal dazu erpressen, mitzukommen. Und bevor der Film vorbei ist, hat der kauzige Alte doch wieder die Hauptrolle übernommen und die Frauen zu Nebenfiguren degradiert.

Bei der Darstellung der Unerbittlichkeit des Alltags im "Wilden Westen" ist Jones nicht konsequent genug. Er kann gewissermaßen der rauen Schönheit seiner Landschaft nicht widerstehen. Ähnlich ergeht es dem Zuschauer mit seiner Figur: obwohl Jones den kantig-brummigen Witz seines mit allen Wassern gewaschenen Abenteurers auf ein Mindestmaß mit kalkulierter Zurückhaltung einsetzt, ist es selbstverständlich seine Entwicklung von Gleichgültigkeit zur Fürsorge, die den Zuschauer letztlich bewegt. Trotzdem weicht der Film der gängigen Vorhersehbarkeit aus - und wurde für Regisseur und Hauptdarsteller Jones zu einem wahren Triumph in Cannes.

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