Gute Filme, gute Bratwurst

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Entdeckungen bei den 48. Internationalen Hofer Filmtagen

Einmal im Jahr wird das oberfränkische Hof zum familiärsten Ort der deutschen Filmbranche. Es versammeln sich etablierte Größen und aufstrebende Talente, Menschen aus Filmstudios und -hochschulen. Am Sonntag ging die 48. Ausgabe der Hofer Filmtage zu Ende, und bei Bier und Bratwurst war das wichtigste Gesprächsthema: wie es um den deutschen Film steht.

Festival-Leiter Heinz Badewitz präsentierte eine Auswahl von insgesamt 125 – nicht nur deutschen - Filmen, die 28.000 Besucher anlockten – leere Kinosäle gab es beim meist grauen Regenwetter also nicht.

Ein Trend des Festivals waren Filme, die völlig ohne staatliche Fördergelder und Senderbeteiligung finanziert wurden. So auch der Gewinner des "Förderpreises Neues Deutsches Kino", Der Kuckuck und der Esel. Regisseur Andreas Arnstedt konnte mit den 10.000 Euro Preisgeld einen Teil seiner Kosten für den Film wieder einspielen. Darin geht es um einen erfolglosen Drehbuchautor, der den für unzählige Absagen verantwortlichen Redakteur kurzerhand entführt, ankettet und mit seiner Drehbuchidee Der Orangenhain foltert. Redakteur Stuckradt Halmer (herrlich: Jan H. Stahlberg) findet den Stoff schon bald "bä-ren-stark", will ihn unbedingt umsetzen.

In seiner Satire lässt Arnstedt keine Gelegenheit aus, Klischees des (deutschen) Films bloßzustellen. Das ist herrlich geschmacklos und reicht von der Krankheit "Scheiß Arthouse-Krebs" bis hin zum jüdischen Opa, der bei jeder Gelegenheit an die Nazi-Zeit erinnert, sich in Rage redet, davon spricht, dass die Nazis die Kultur ausgemerzt hätten, das jüdische, kreative, schwule Deutschland, das sei alles weg, und "Der Schuh des Manitu – das ist die Spätfolge von Auschwitz!"
Ob sich der 41-jährige Arnstedt für seinen nächsten Film Chancen auf staatliche Filmförderung oder Senderbeteiligung ausrechnen kann, ist noch fraglich. Aber das ist vielleicht auch ganz gut so.

Ebenso ohne Fördergelder kam einer der stärksten Festival-Beiträge aus: Zerrumpelt Herz von Timm Kröger. Der Film ist eine wunderschöne Eloge auf die Romantik, drei Freunde wandern auf der Suche nach dem Komponisten Otto Schiffmann durch den deutschen Wald, man kann die Atmosphäre nahezu einatmen. Die Kamera ist brillant, das Licht magisch. Dass der digital gedrehte Film hinterher auf einen 35-mm-Stil gebürstet wurde, ist nur konsequent: Hier wurde Kino gemacht.

Auch fernab vom Fernsehlook, aber vom Fernsehen mitfinanziert ist der diesjährige Eröffnungsfilm des Festivals, Burhan Qurbanis Wir sind jung. Wir sind stark., der die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Rostock Lichtenhagen 1992 zum Thema hat. Ganz eigenwillig nimmt er dabei eine Gruppe Jugendlicher in den Blick, die er in schwarz-weiß ebenso ästhetisch wie sympathisch einfängt – und es ist schrecklich, mit anzusehen, wie der Tag vorübergeht, langsam, hypnotisch, in langen, virtuosen Kamerafahrten. Ein beeindruckender, politisch aktueller Film – nicht nur über Flüchtlinge, sondern über die Langeweile einer Jugend, die keine Träume mehr hat.

Politisch aktuell präsentierten sich die Hofer Filmtage zudem mit vielen Dokumentar- und Spielfilmen aus dem mittleren Osten. So war dem Kino von Eran Riklis eine Retrospektive gewidmet. Der israelische Regisseur setzte mit Filmen wie Die syrische Braut (2004) und Lemon Tree (2008) Zeichen für die Menschlichkeit, und so war jetzt genau der richtige Zeitpunkt für eine Werkschau – zumal Riklis auch seinen neuen, überraschend humorvollen Film vorstellen konnte. Dancing Arabs erzählt die Geschichte eines jungen Palästinensers in Israel zur Zeit des Golf-Krieges 1991. So düster der Hintergrund des Films auch scheinen mag, so leichtfüßig inszeniert Riklis ihn als Coming-of-Age Film, in dem wie so oft bei Riklis die Liebe eine Antwort sein darf und sein kann.

Eine weitere Persönlichkeit, der viel Aufmerksamkeit galt, war Autor und Regisseur Chris Kraus. Dem Macher von Vier Minuten und Poll, der schon mit drei Filmen im Programm der Hofer Filmtage vertreten war, wurde der Filmpreis der Stadt Hof verliehen. Eine Ehre, die unter anderem auch schon Werner Herzog, Christian Petzold und Wim Wenders zuteil wurde. Letzterer war auch anwesend, um in einer Sondervorführung seine Dokumentation Das Salz der Erde über den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado zu präsentieren. Damit gewann er auch gleich den Hans-Vogt-Filmpreis für Filmschaffende, die sich um den Ton im Film bemühen. Er ist mit 5000 Euro dotiert.

Bei wachsender Konkurrenz besonders zum Filmfest München entschied man sich in Hof für ein recht kontroverses Programm mit vielen polarisierenden deutschen Filmen – eine Wahl, die man Heinz Badewitz hoch anrechnen muss. Denn obschon so manch allzu experimenteller Film und so mancher Kommerzfilm darunter war, so waren doch einige herrliche Entdeckungen zu machen – und das ist nur möglich, wenn man sich nicht auf ein Erfolgsrezept verlässt, sondern einen sehr bunten, sehr jungen und sehr starken Mix anbietet – ob nun staatlich gefördert oder nicht. Und das ist den Hofer Filmtagen 2014 gut gelungen, genauso wie die Bratwurst zwischen den Filmen.

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