"Die Iren tanzen besser"

Jimmys Hall

Foto © Pandora

Inspiriert von der Lebensgeschichte Jimmy Graltons, eines sozialistischen Aktivisten, erzählen der Regisseur Ken Loach und sein Drehbuchautor Paul Laverty, wie dieser 1932 in der irischen Provinz eine Tanzhalle wiederaufbaut. Die wird schnell zu einem beliebten Treffpunkt, trotz massiver Störaktionen der katholischen Kirche

Die Geschichte von Jimmy Gralton ist nicht so bekannt, wie sie es verdient hätte…

Nein. Paul Laverty erfuhr von ihr durch einen Freund, einen Autor, den er in Nicaragua traf. Der arbeitete an einer Radiosendung über Jimmy, und Paul erzählte mir davon. Das war eine Lebensgeschichte, in der sich vieles kristallisierte. Eine Gruppe von Menschen, die versucht, sich ihren eigenen Freiraum zu schaffen – da sehe ich Parallelen zum Internet heute. Sie haben mächtige Gegner, die versuchen, sie zu zerstören, die Kirche und die Gutsbesitzer. Das ist wie ein Mikrokosmos: einerseits nur ein kleiner Ort in der Landschaft, andererseits eine große Ausstrahlung. Heute haben wir die, die Edward Snowden zum Schweigen bringen wollen, den Islam, der den Menschen sagt, dass sie nicht tanzen dürfen, die BBC, die behauptet, es gäbe nur eine einzige Möglichkeit, aus der Wirtschaftskrise herauszukommen – sie alle versuchen zu kontrollieren, was wir denken sollen.  

Hat Ihr Film zu einem neuen Interesse an der Person von Jimmy Gralton geführt? Sind die Dokumentationen über ihn erneut ausgestrahlt worden?

Ja, man spricht jetzt davon, die Hall neu aufzubauen. Der Region geht es nicht sonderlich gut – aus ökonomischen Gründen sind viele Menschen von dort weggegangen, wie schon in früheren Zeiten. Sie können dort viele leer stehende Häuser sehen. Insofern denke ich schon, dass seine Geschichte einen positiven Gedanken vermitteln kann.

Haben Sie gar  keine negativen Seiten an ihm gefunden? Manchmal kommt er mir wie ein Heiliger vor.

Durch sein politisches Engagement setzt er seine Mutter an die zweite Stelle, das kann man ihm vorhalten. Es bereitet ihm einfach Vergnügen, wenn er sieht, wie die Leute Spaß haben, das verschafft ihm einen Kick. Er hat sich oft lustig gemacht über andere Aktivisten der Linken, die ihm vorwarfen, ein Spaßmacher zu sein, der alles zu leicht nähme.

Den katholischen Priester zeichnen Sie als eine relativ komplexe Figur...

Das schien uns interessanter. Sie waren brutal in dem, was sie predigten: Hass, Feuer und Verdammnis. Aber für ein Drama wäre das zu eindimensional gewesen.
Jedenfalls wusste er genau, dass Jimmy nicht so schnell aufgeben würde. Den jungen Priester hat Paul mehr wie eine Tony-Blair-Version angelegt: er lächelte, aber er wollte Dich genauso kastrieren.  

Konnten Sie, als den "community spirit" einfingen, auch auf eigene Erfahrungen zurückgreifen? Haben Sie das als junger Mensch selbst so erlebt?

Leider nein, wir hatten keinen Jimmy Gralton in unserer Umgebung. Ich glaube auch, in den katholischen Gegenden funktioniert das eher. Der protestantische Glaube ist da verengter – die Schotten und Iren können besser tanzen! Es gab aber in den dreißiger Jahren eine breite Anti-Jazz-Bewegung, so wie es in den fünfziger Jahren eine Anti-Rock’n’Roll-Bewegung gab und in den Siebzigern der Punk für den Kollaps der moralischen Werte verantwortlich gemacht wurde.

Ihr Film endet mit einem Folksong. Vorher hört  man den amerikanischen Jazz und die traditionelle irische Folklore, die der Priester bevorzugt. Hat der Song am Ende eine spezielle Bedeutung?

Was die Frauen da singen, ist teilweise in Englisch, teilweise in Irisch gehalten, es geht um ein Mädchen, das davon träumt, mit ihrer wahren Liebe zusammen zu sein, so wie Jimmys Freundin Oona im Film.

Waren Sie selbst ein wenig überrascht, dass in einem Ihrer Filme einmal etwa Positives aus den USA kommt?

Die Musik, ja.(lacht). Es kommen viele gute Sachen aus den USA, auch wenn mir auf die Schnelle nichts einfällt. Die Musik der frühen Arbeiterbewegung war sehr kraftvoll – und sie haben sich vom britischen Empire befreit, das sollten wir nicht vergessen. Die USA haben eine enge Beziehung zu Irland.

Hat die organisierte Arbeiterbewegung immer ein positives Verhältnis zur Jazzmusik gehabt. Oder herrschte die Meinung vor, dass die bloß vom Klassenkampf ablenken würde?

Oder sie von ihrer irischen Kultur entfremden würde. Denn die wurde mit dem Unabhängigkeitskampf gleichgesetzt. Es gab eine ganze Bewegung zur Wahrung der irischen Sprache. Da ist der Priester sehr clever, wenn er das aufgreift und für seine Zwecke verdreht.  

Wie sieht es mit dem von Ihnen angekündigtem Abschied vom Spielfilm aus? War die Arbeit an diesem Film so anstrengend – "on location", mit so vielen Menschen vor der Kamera?

Nein, eher eine Frage des Alters. Der Kapitän der britischen Fußballmannschaft ist gerade zurückgetreten - mit 34. Und ich bin 78 geworden. Ich werde aber noch mal mit Paul sprechen. Und es gibt die Möglichkeit, noch einmal so etwas wie "The Spirit of  ’45" zu machen, wo ich nicht "on location" gehen muss.

Das Gespräch führte Frank Arnold

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