Der Stand der Dinge

Anke Sterneborg über Wim Wenders' Befreiungsschlag

Eine kleine Gruppe Überlebender kämpft sich durch eine gelbstichig verbrannte, ausgedörrte Endzeitwelt, zur Küste dem Wasser entgegen. Jäh beendet ein Schnitt die Illusion: Die Welt wird schwarz-weiß, ein Regisseur (Patrick Bauchau, der eigentlich Schauspieler ist) fragt den Kameramann (Sam Fuller, der eigentlich Regisseur ist): »Wie war es dieses Mal? Haben wir den Glanz in den Augen?« Wenn das Kino von sich selbst erzählt, dann balanciert es auf dem schmalen Grat zwischen Realität und Illusion. Als Zuschauer darf man hinter die Kulissen schauen, sehen, wie Filme entstehen, was in diesem Fall heißt, wie sie nicht entstehen. Denn der Kameramann verkündet, dass das Material verbraucht sei, der Produzent, der Geldmittel organisieren wollte, ist nicht erreichbar und das Team zum Warten verdammt, in einer unwirtlich leeren Betonhotelanlage am Meer, in der Nähe von Lissabon.

Für Wim Wenders war Der Stand der Dinge 1982 ein Befreiungsschlag, ein kleiner, unabhängiger, spontaner Film, gedreht mit dem Team eines Films von Raul Ruiz, als Gegenmittel zur schwerfälligen, enttäuschenden, amerikanischen Produktion Hammett, die gerade stagnierte. Es ist eine Abrechnung mit Hollywood und zugleich eine Liebeserklärung ans Kino, gespickt mit Zitaten, Anspielungen und Diskursen, zum Beispiel über die Wirklichkeit im Kino. »Fuck reality«, sagt der Amerikaner: »cinema is not about life going by«, und zwei europäische Kinder in einer Isetta am Strand stellen fest, dass Dinge, die im Fernsehen passieren, nicht so interessant sind, wie das, was im Leben passiert. Und die schwarz-weißen Bilder, die der große Kameramann Henri Alekan auf die Leinwand zaubert, sind pure Magie.

Anke Sterneborg

BRD/Portugal/USA 1982, Wim Wenders, mit Allen Garfield, Samuel Fuller, Isabelle Weingarten
 

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