06/2018

In diesem Heft

Tipp

Geht leider schon zu Ende: Amazons klug ausgedachte und manchmal wunderbar ins Gagaeske kullernde Musikerserie endet nach der vierten Staffel
In »The Terror«, die Serienversion von Dan Simmons' Roman über die Suche nach der Nordwestpassage, spürt der Zuschauer die Kälte
22. bis 24. Juni, Hildesheim – »Deutscher Jugend-« und »Deutscher Generationenfilmpreis« treffen sich hier. Dem vom Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum durchgeführten Festival, dessen Programm rund 40 Filme umfasst, liegt die Idee zugrunde, dass sich junge und ältere Menschen zusammen über filmische Themen auseinandersetzen und kreativ werden
10. bis 16. Juni, Gera und Erfurt – Das Deutsche Kinder Medien Festival, das bereits 1979 in der DDR gegründet wurde, berücksichtigt Film- wie Fernsehbeiträge in fünf Kategorien. Das junge Publikum fest im Blick, vergeben zwei Kinderjurys die Hauptpreise des Wettbewerbs. Besondere Workshop-Angebote für Kindergruppen und Schulklassen stellen diese Profilierung auch im Rahmenprogramm aus
6. bis 13. Juni, Emden – Internationales Kino ist Anfang Juni im hohen Norden zu Gast. Auf Norderney und in Emden präsentieren sich zum 29. Mal Produktionen, die, typisch für das Filmfest, bevorzugt aus Nordwesteuropa stammen. Preisgelder von insgesamt 60.500 Euro sind ausgelobt und werden vor allem durch Publikumsabstimmung verteilt. Einzig der Drehbuchpreis liegt in den Händen einer Fachjury des Grimme-Instituts
8. Juni, Frankfurt am Main, 19.30 Uhr – Die Evangelische Filmjury hat Francisco Varones »interkulturelles« Roadmovie »Camino a La Paz« als Film des Monats Juni nominiert. Zum deutschen Kinostart gibt es eine Sonderveranstaltung im Mal Seh'n-Kino mit dem Koproduzenten Gunter Hanfgarn, Bernd Wolpert vom Evangelischen Zentrum für entwicklungsbezogene Filmarbeit (EZEF) und der Juryvorsitzenden Margrit Frölich.
5. bis 11. Juni, Hamburg – Mit einem Wettbewerb, der sich über filmisch-erzählerisches Experimentieren profiliert, wartet das Hamburger Kurzfilmfestival auf. In der 34. Ausgabe konkurrieren in verschiedenen Sparten Dutzende Kurzfilme um Publikums- und Jurypreise. Eine Besonderheit ist der Wettbewerb »Flotter Dreier«, in dem Filmschaffende aufgerufen wurden, zum Thema »Skandal« dreiminütige Kurzfilme vorzulegen. Außerdem befasst sich eines der Sonderprogramme mit China, dessen Kurzfilmschaffen eigentlich nur schwer zugänglich ist
7. bis 29. Juni, Frankfurt am Main – Zum ersten Mal wird zum Werk des italienischen Regisseurs Marco Ferreri eine Retrospektive in Deutschland veranstaltet. Das Filmkollektiv Frankfurt zeigt in Zusammenarbeit mit dem Kino des Deutschen Filmmuseums 15 Filme des italienischen Regisseurs, der mit Marcello Mastroianni, Catherine Deneuve, Gerard Depardieu und Ornella Muti zusammengearbeitet hat, auf 35 mm. Vom 15. bis 17. Juni ist das Schwerpunktwochenende, an dem in Frankfurt 10 der Filme, darunter auch »Das große Fressen«, auf einen Schlag zu sehen sind
Zwischen Buenos Aires und La Paz erlebt ein Fahrer mit seinem muslimischen Fahrgast eine spirituelle Entdeckungsreise: In diesem Regiedebüt geht der aus Die Reise des jungen Che bekannte Rodrigo de la Serna erneut auf große Fahrt
am So., 10.06. in Frankfurt am Main – epd-Film-Autor Ulrich Sonnenshein spricht mit dem Regisseur Philipp Eichholtz über seinen Film »Rückenwind von vorn«
Die Ausstellung »Günter Peter Straschek. Emigration – Film – Politik« im Kölner Museum Ludwig entdeckt den Filmemacher und Forscher wieder

Thema

»Neger«? Geht nicht! Und das ist gut so. Trotzdem darf man »Vom Winde verweht« noch gucken. Georg Seeßlen über die Verdienste und Fehlleistungen der PC-Debatte
Manchmal wirkt sie fast körperlos – zart und zerbrechlich. Aber gerade mit ihrer Physis erzielt Alba Rohrwacher auf der Leinwand nachhaltige Wirkung. Die italienische Schauspielerin arbeitet vor allem mit Autorenfilmern zusammen. Wie jetzt in »Meine Tochter« zum zweiten Mal mit Laura Bispuri
Sie hat den ersten Nouvelle-Vague-Film gedreht und stets nach neuen Erzählformen gesucht. Jetzt bringt Agnès Varda, mit Neunzig, wieder einen wundervollen Film an den Start. Ein Porträt von Marli Feldvoß
Tote zum Leben erwecken – das kann nur das Kino. Zum Beispiel die Dinosaurier, die immer wieder die Fantasie und die Filmtechnik auf Trab bringen
Unsere "steile These" des Monats Juni

Meldung

Das 15. Crossing Europe-Filmfestival in Linz bot einmal mehr spannende Grenzübertritte und herausragende Entdeckungen
Kurzfilmtage Oberhausen, die 64. Ausgabe. Neben dem internationalen und deutschen Wettbewerb sowie dem Muvi-Preis zeigt das Festival immer auch interessante filmhistorische Kurzfilmausgrabungen
Das 71. Filmfestival von Cannes: Ein herausragender Wettbewerb kann nicht verhüllen, dass es kein Konzept für eine Post-Weinstein-Ära gibt
Wieder ein breites Spektrum: goEast, das Wiesbadener Festival des mittel- und osteuropäischen Films, zeigte Ende April Kinoperlen aus Osteuropa

Filmkritik

Mit dem Tod der Großmutter nimmt ein bizarres, unheilvolles Familienschicksal seinen Lauf. Im Geiste des Okkulthorrors der 1960er und 1970er Jahre, doch mit präg­nanter Handschrift ist Ari Aster ein extrem spannendes, verstörendes Langfilmdebüt gelungen: »Hereditary«
In diesem erfrischend unkonventionellen deutschen Regiedebüt wird das Porträt eines abgestürzten Starlets gezeichnet, das notgedrungen in sein heimatliches Dorf zurückkehrt: »Back for Good« bietet einen anregend illusionslosen Blick auf weibliche Befindlichkeiten
Ein kleiner amüsanter Film über das Lebensmotto der Iren: Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand. Grandios besetzt bis in die Nebenrollen, ist dieser Film über Fleisch, Familie und Glauben in jeder Hinsicht halal: »Halaleluja – Iren sind menschlich!«
Raymond Depardon zeigt zehn richterliche Anhörungen von zwangseingewiesenen Psychiatriepatienten. »12 Tage« ist filmischer Humanismus, der den gesellschaftlich stigmatisierten Kranken ihre Menschlichkeit zurückgibt
Die eigentlich interessante Geschichte von der Entstehung und Vermarktung des kindlichen Winnie-the-Pooh-Universums entfaltet in der uninspirierten Inszenierung von Simon Curtis keinerlei Magie: »Goodbye Christopher Robin«
Die Verfilmung des preisgekrönten Romans »Vom Ende einer Geschichte« von Julian Barnes setzt ganz auf seine namhafte Besetzung. Jim Broadbent und Charlotte Rampling geben ihr Bestes, haben aber keine Chance gegen ein uninspiriert adaptiertes Drehbuch
Berührender Dokumentarfilm über einen Jungen aus dem Gaza-Streifen, der wegen einer Autoimmunkrankheit in einem israelischen Krankenhaus aufwächst. Die unaufgeregte Langzeitstudie »Muhi« erzählt en passant auch von den absurden politischen Bedingungen in der Region
Die im Titel angesprochene Recherche nach der legendären ägyptischen Sängerin Kulthum ist nur Vorwand für die US-iranische Künstlerin und Filmemacherin Shirin Neshat, in einer wenig inspirierten Film-in-Film-Geschichte um sich selbst zu kreisen
Doku von Wim Wenders, die durch die zutiefst menschliche Ausstrahlung von Papst Franziskus das Potenzial hat, Menschen unterschiedlichster Herkunft zu erreichen: als Form der Anstiftung zu Menschlichkeit und sozialer Gerechtigkeit
Mit seinen rassistischen wie sexistischen Äußerungen ist der Juraprofessor Pierre Mazard kaum noch tragbar. Im Namen der politischen Korrektheit soll er eine Studentin aus der Banlieue auf einen Wettbewerb in Redekunst vorbereiten. Yvan Attal inszeniert ihr Tauziehen als dramatische Komödie um Kulturerwerb und Aufgeschlossenheit: »Die brillante Mademoiselle Neïla«
Das medial selbstreflektierte Porträt der saudischen Dichterin und Menschenrechtlerin Hissa Hilal wird nicht nur nebenbei zu einer faszinierenden persönlichen Geschichtsstunde und einem Plädoyer für einen toleranten Islam: »The Poetess«
Drei Schwestern, mittendrin ein pubertierender Junge. Mit viel Humor und unter genauester Beobachtung, sehen wir den Jugendlichen dabei zu, wie sie über viele Streitigkeiten hinweg zu Lösungsansätzen in ihrem chaotischen Alltag kommen: »Allein unter Schwestern«
Scott Cooper erzählt von einem US-Captain, der Cheyenne-Häuptling samt Familie zum Sterben in sein Stammesgebiet geleiten soll. Was zunächst in klassischer Western-Manier daherkommt, mit großen Bildern und elegischer Atmosphäre, untersucht gewissenhaft das Trauma der Indianerkriege: »Feinde – Hostiles«
In ihrem Langfilmdebüt »Wolf and Sheep« gelingt der afghanischen Regisseurin Sharhbanoo Sadat ein kleines Meisterstück der poetischen Wirklichkeitserkundung. Ihre Impressionen vom Leben einer Gemeinschaft von Bauern und Hirten sind tief verwurzelt im Alltag und den Legenden einer abgeschiedenen Bergregion
In dem federleichten, gut gespielten Teenager-Melodram »Letztendlich sind wir dem Universum egal« ist ein junges Mädchen mit fünfzehn verschiedenen Männern und Frauen liiert – ohne ein einziges Mal fremdzugehen
Stanislaw Mucha ist in seiner Doku die »Straße der Knochen« in Nordostsibirien, die von Gulag-Häftlingen erbaut wurde, entlanggefahren. Heraus kam das mosaikartige Porträt einer Gegend, ihrer Vergangenheit und Gegenwart
Der Besuch des Münchner Filmemachers Peter Baranowsky beim konversativ-katholischen Orden der »Legionäre Christi« hinterlässt trotz einiger intimer Einblicke den unbefriedigenden Eindruck, das eigentliche Spiel liefe irgendwo hinter den Kulissen ab: »Die Temperatur des Willens«
Eine Liebe, die in der Hochzeitsnacht zerbricht: Die Verfilmung von Ian McEwans Roman »Am Strand« bewegt durch die subtile Inszenierung, die vieldeutige Geschichte und vor allem die beiden großartigen Hauptdarsteller
Trotz einer gewissen metaphysischen Überzeichnung gefällt das Roadmovie »Camino a la Paz« quer durch Südamerika dank seines starken Darstellerduos: ein romantischer Männertrip in der Tradition eines Wim Wenders
In ihrem dritten gemeinsamen Film »Tully« schildern Diablo Cody und Jason Reitman ungeschönt die zermürbenden Strapazen des Elternalltags mit drei kleinen Kindern, und bieten zugleich märchenhafte Abhilfe, mit schlagfertigen Selbstanalysen und einer magischen Night Nanny
Herrlich komisch und herzzerreißend traurig erzählt Laura Lackmann in »Zwei im falschen Film« von einem im alltäglichen Trott und der eigenen Schrulligkeit feststeckenden Paar und stellt die Frage nach dem Glück. Kein neues Sujet, aber überraschend inszeniert und hinreißend gespielt von Laura Tonke und Marc Hosemann
Drei Mädchen und drei Jungen werden stellvertretend für viele Gleichaltrige vorgestellt, die durch die Faszination des gemeinsamen Musizierens in einem Förderprojekt an ihre Grenzen gehen, um sie schließlich zu überwinden: Musik schafft Selbstvertrauen
In ihrem Neo-Western erzählt Regisseurin Chloé Zhao einfühlsam von einem gefeierten Rodeo-Star, der nach einem Unfall nie wieder reiten darf. Es geht um den Verlust des Lebenszentrums; zugleich ist »The Rider« ein leiser Abgesang auf den Wilden Westen
Ein Buchhalter in der Midlife-Krise erfährt Beistand im Kreise einer Männer-Wasserballett-Gruppe. Regisseur Parker erfüllt seine Geschichte mit großer Herzenswärme und erfreulich klischeefreien Bildern von Männern, die Gefühle nicht nur haben, sondern auch zeigen dürfen: »Swimming with Men«
Als Lady Sandra ihren Mann nach 35 Ehejahren mit einer Freundin erwischt, zieht sie zu ihrer Schwester nach London. Biff ist ein Freigeist und bringt Sandra bei, dass es im Leben Schöneres gibt als Status und Perfektion. »Tanz ins Leben« ist eine Sittenkomödie von Richard Loncraine mit trockenem Humor und hervorragenden Schauspielern
Bei der Übernachtung in einem verlassenen Trailercamp wird eine zerstrittene Familie von drei maskierten Jugendlichen terrorisiert. Der späte Nachfolgefilm zu »The Strangers« erreicht in seinen besten Momenten eine Atmosphäre des Schreckens, wirkt aber vor allem wie eine Hommage an den Slasherfilm der achtziger Jahre
Essayistisch angelegte Dokumentation über den polnischstämmigen Regisseur und Produzenten Michal Waszynski, viel mehr als ein filmkundlicher Beitrag, eine Studie in Sachen Identität und europäischer Geschichte: »Der Prinz und der Dybbuk«
Auf Sardinien kämpfen Adoptivmutter und leibliche Mutter um die Gunst der Tochter. Laura Bispuri zeigt eine weibliche Befreiungsgeschichte, »Meine Tochter – Figlia Mia« ist gleichsam ausgereiztes Melodram und magischer Inselfilm
Agnès Varda und der Streetartist JR begeben sich auf eine Reise durch Frankreich, erkunden Land und Leute und die Möglichkeiten der künstlerischen Zusammenarbeit. »Augenblicke: Gesichter einer Reise« ist ein glückbringender, gut gelaunter, liebevoller Film
Was Sie eigentlich doch nicht über Han Solo wissen wollten und deshalb nie gefragt haben: Der »Origin Story« zu Han Solo fehlt es an Mut zur retrospektiven Neuerfindung, gerade weil alles drin ist, was man so erwartet
Originell inszenierter deutscher Animationsfilm mit Science-Fiction-Motiven und einer Prise schwarzem Humor
Auf die romantische Komödie folgt nun der große Familienfilm. Die Macher des ironischen und doch auch gefühlsduseligen »Deadpool«-Franchises schrecken vor keiner filmischen Aneignung zurück. Doch diesmal überdehnen sie sich hoffnungslos bei dem Spagat zwischen Zynismus und Sentimentalität
Etwas überfrachtetes, aber durchaus unterhaltsames Superhelden-Spektakel, das vor allem durch die Einführung eines überzeugenden Bösewichts glänzt: »Avengers 3: Infinity War«

Film