08/2016

»Family Guy« – In der schrägen Komödie »Captain Fantastic« spielt Viggo Mortensen einen linksintellektuellen Vater mit sehr eigenen Vorstellungen von Erziehung +++ 

»Die Maus hat gut lachen« – ... sie hat sich gerade zwei Giganten der Kinounterhaltung einverleibt: »Star Wars« und Marvel. Über den Expansionsdrang der Disney Company +++ 

»Rätselhafte Schönheit« – Das portugiesische Kino bringt ganz große Autorenfilmer hervor. Wie Miguel Gomes, dessen Opus magnum »1001 Nacht« jetzt anläuft. Ein Werkporträt +++ 

»Kampf dem Ektoplasma« – Im Web hat man sie gnadenlos verrissen, die neuen, weiblichen »Ghostbusters«. Dabei war der Film noch nicht mal gestartet. Ist die Geek-Kultur frauenfeindlich? +++ 

Filme des Monats: +++ SEEFEUER +++ LA ISLA MÍNIMA +++ JULIETA +++ JASON BOURNE  (+ Interview Matt Damon) +++ ALLES WAS KOMMT +++

In diesem Heft

Tipp

9. bis 13. August, Nenzing – Das Alpinale-Filmfestival, jetzt schon in der 13. Ausgabe, besucht erneut den beschaulichen Ort Nenzing in Österreich. An vier Tagen werden Kurzfilme gezeigt, die vom Publikum sowie einer internationalen Jury ausgewählt werden können, um am fünften Tag erneut aufgeführt und mit einem Preis bedacht zu werden. Spielt das Wetter mit, findet die Veranstaltung open air statt
17. August bis 18. September in sieben deutschen Städten – Ein facettenreiches Programm und die Kurzfilmreihe »Get Shorty« erwarten die Gäste des Fantasy Filmfestivals. Den Startschuss gibt Berlin, zum Finale lädt Hamburg. Zu den Highlights gehört das Spielfilmdebüt von Jonás Cuarón (Sohn von »Gravity«-Regisseur Alfonso Cuarón), in dem es um einen Redneck geht, der im mexikanisch-amerikanischen Grenzgebiet Jagd auf illegale Einwanderer macht. Auch die neue Produktion des japanischen Trashmeisters Takashi Miike ist mit dabei: »Terra Formers«, der vom Kampf einer Outlawbande gegen außerirdische Riesenkäfer erzählt
12. bis 20. August, Sarajevo – Um die Mitte der Neunzigerjahre entstanden als Protestreaktion auf die Belagerung der Stadt im Bosnienkrieg, hat sich das Festival schnell zu einer internationalen Größe entwickelt. Mit einem besonderen Fokus auf dem Arthouse-Kino präsentiert Sarajevo Spielfilme, Dokumentarfilme und Kurzfilme im Kino und open air. Während sich das Festival als eine führende Institution für die Filmwirtschaft in der Balkanregion versteht, geht der Blick auch über den Tellerrand hinaus: So gibt es etwa einen Tribut an den mexikanischen Filmschaffenden Amat Escalante
11. bis 15. August, Weiterstadt bei Darmstadt – Das Filmfest an der Nordwestgrenze Darmstadts feiert sein 40-jähriges Jubiläum. Hier wird jeder Geschmack bedient: Trickfilm-Workshops, Interviews mit Filmemachern, Kinderkino, ein Kurzfilm-Poetry-Slam und ein Programm, das über 200 Filme umfasst
11. bis 21. August, Bonn – Im Arkadenhof der Universität Bonn werden Stummfilme aus aller Welt gezeigt, unter freiem Himmel und mit musikalischer Begleitung. Neben Klassikern wie René Clairs »Das schlafende Paris« finden sich auch unbekanntere Filme im Programm. Der Eröffnungsfilm »Fairbanks ist verrückt«, eine amerikanische Komödie aus dem Jahr 1919, erzählt von einem Psychiater, der einen gesunden Mann in den Wahnsinn zu treiben sucht. Immer sonntags finden im LVR-Landesmuseum Vorträge statt, die das Abendprogramm ergänzen. Auch schön: Der Eintritt ist frei
3. bis 13. August – Locarno gehört mit Venedig und Cannes zu den ältesten und renommiertesten Festivals Europas. Bis zu 8000 Zuschauer besuchen die Open-Air-Screenings auf der Piazza Grande. In diesem Jahr bekommt der legendäre chilenische Avantgardefilmer Alejandro Jodorowsky (»Montana Sacra«, »El Topo«) den Ehrenleoparden für sein Lebenswerk. Das Projekt »Geliebt und verdrängt: Das Kino der jungen Bundesrepublik Deutschland 1949–1963« zeigt deutsche Nachkriegsfilme in Kooperation mit dem Deutschen Filminstitut
Gianfranco Rosi filmte ein Jahr lang auf der Insel Lampedusa und zeigt mit ruhigem Blick ein Nebeneinander paralleler Welten, das zur Metapher für Europa wird: Hier der beschauliche Alltag der Insulaner, dort die täglichen Tragödien der Flüchtlinge, die übers Meer kommen. Nicht »der Film zur Flüchtlingskrise«, sondern eine aufwühlende filmische Reflexion über Mitmenschlichkeit und Ignoranz
Zu Gast in der Reihe "Was tut sich – im deutschen Film?": am 11. August spricht Bernd Michael Lade mit epd Film-Autor Ulrich Sonnenschein über seinen Film »Das Geständnis«

Thema

Pixar, Star Wars, Superhelden? Disney schluckt alles. Die traditionsreiche Firma scheint auf ein Entertainment-Monopol aus zu sein. Andreas Busche hat sich das Geschäftsmodell angesehen
Im Internet kann ein Film versenkt werden, bevor er überhaupt in irgendeinem Kino gelaufen ist. Wie das »Ghostbusters«-Remake des Komödienspezialisten Paul Feig zeigt. Liegt es daran, dass Frauen hier die Hauptrollen spielen? Über die Macht des Webtratsches
Er hat nur eine Handvoll Langfilme gedreht. Aber er ist einer der großen europäischen Auteurs: der Portugiese Miguel Gomes. Ein Glück, dass seine atemberaubende Trilogie »1001 Nacht« auch bei uns läuft
Obwohl er schon seit 30 Jahren im Geschäft ist, macht sich der Schauspieler Viggo Mortensen mitunter rar. Jetzt überzeugt er in der sympathischen Komödie »Captain Fantastic«
Unsere "steile These" des Monats August

Meldung

Eine Doku auf dem Münchner Filmfest erinnerte an die Zeit, in der die Stadt von jungen, wilden Regisseuren wie Lemke, Spils und Thome bespielt wurde. An ihnen musste sich der neue deutsche Film messen
Der Wettbewerb spiegelte eine Tendenz im deutschen Film: die Suche nach Intensität
Die Schweizer Filmemacher Jan Gassmann, 32, und Michael Krummenacher, 31, haben das Kollektivprojekt »Heimatland« konzipiert und künstlerisch betreut. Der Film startet bei uns am 28. Juli
Es deutet sich eine Wende an. 3D ist in der Hauptsache Animationsfilmen vorbehalten und im Home-Cinema-Bereich hat es einen regelrechten Einbruch gegeben

Filmkritik

Trotz aller Aktualisierungsbemühungen fehlt der Neuauflage »Jason Bourne« die bezwingende dichte Spannung der früheren Filme. Daran ändern auch ein solider Damon, eine reizvolle Rolle für Alicia Vikander und jede Menge internationaler Schauplätze nichts
Der zehnjährige Pete wächst im Wald unter der Obhut des Drachen Elliot auf. Entschleunigtes Bilderbuchkino für kleine Kinozuschauer, denen »The Jungle Book« zu viel war
Gianfranco Rosi filmte ein Jahr lang auf der Insel Lampedusa und zeigt mit ruhigem Blick ein Nebeneinander paralleler Welten, das zur Metapher für Europa wird: hier der beschauliche Alltag der Insulaner, dort die täglichen Tragödien der Flüchtlinge, die übers Meer kommen. »Seefeuer« ist nicht »der Film zur Flüchtlingskrise«, sondern eine aufwühlende filmische Reflexion über Mitmenschlichkeit und Ignoranz
Politisches und Privates, Dokumentarisches und Fantastisches fließen in Miguel Gomes' dreiteiligem Porträt des Lebens in Portugal in den Zeiten der Finanzkrise auf wundervolle Weise zusammen. »1001 Nacht« sprengt nicht nur mit seiner Länge von fast sechseinhalb Stunden den Rahmen. Gomes zeigt einem auch, wie befreiend es ist, die Welt mit anderen Augen zu betrachten
Todd Solondz, der Meister abgründiger Geschichten über Tollhäuser der Depression und Paranoia in den amerikanischen Vorstädten, liefert mit »Wiener Dog« einen neuen Beweis bösartiger Komik – in Dackelformat
David Yates versucht die von Edgar Rice Burroughs 1912 erfundene Geschichte von Tarzan wiederzubeleben und jenseits der ursprünglich rassistischen Untertöne zu verorten. Die Antwort auf die Frage, ob die filmische Wiederbelebung vom »Herrn der Affen« wirklich sein musste, lässt »Legend of Tarzan« trotzdem offen
Vom Eigenleben der Haustiere erzählt der jüngste Animationsfilm aus dem Hause Illumination (»Die Minions«). Eine Suchaktion nach einem verschwundenen Freund wird zur abenteuerlichen Reise durch New York. Einnehmende Charaktere und präzises komisches Timing lassen den Zuschauer zeitweise vergessen, dass »Pets« nicht dieselbe emotionale Dichte besitzt wie die Filme von Pixar und Disney
Um die Operation seiner kranken Freundin zu finanzieren, lässt sich ein junger Amerikaner auf eines dieser Manöver ein, die das schnelle Geld versprechen, aber natürlich schief gehen. Die resultierende Verfolgungsjagd zieht eine Spur der Verwüstung nach sich. »Collide« ist ein ebenso vergnüglicher wie ansehnlicher, im besten Sinne aufrechter Action-Film aus deutschen Landen frisch auf den Tisch
Marcin Wrona greift die alte jiddische Legende vom Dibbuk, einem Geist, der sich an die Seele eines Lebenden klammert, auf und erfüllt sie mit neuem Leben. Aus der Schauergeschichte wird eine zutiefst traurige und extrem anrührende Parabel über das Verschwinden der jüdischen Kultur in Polen
»Zeit für Legenden« ist ein uninspiriertes Biopic über den Ausnahmeathleten Jesse Owens, der auf der Nazi-Olympiade in Berlin 1936 viermal schwarzes Gold unterm Hakenkreuz holte
Der Heimatfilm ist schon lange keine Bezeichnung für plumpen Kitsch mehr, sondern hat sich spätestens seit Edgar Reitz daraus befreit. Der vielfältige Film »Heimatland« aus der Schweiz ist eine erschreckende Dystopie und vor allem deshalb erstaunlich, weil er trotz der vielen einzelnen Regisseure nicht auseinanderfällt
In Wirklichkeit waren es sogar mehr als tausend Seiten, die Lektor Max Perkins (Colin Firth) aus den Manuskripten von Thomas Wolfe (Jude Law) herauskürzen musste. Und ihr Verhältnis hatte mehr Facetten, als in »Genius« übriggeblieben sind
Der bisherige Schauspieler Jiri Mádl erzählt in seiner Debütregie »Ab ans Meer!« die Welt aus Sicht eines kleinen Jungen für kleine Jungs (und vielleicht auch ein paar Mädchen) – und das in bester humoristisch-tschechischer Realismustradition
Die Debütkomödie »Die fast perfekte Welt der Pauline« über eine verpeilte Möchtegernkünstlerin, die sich in das Leben eines durch ihre Schuld ins Koma gefallenen Mannes schmuggelt, ist dank Antiheldin Isabelle Carré eine mehr niedliche als schnulzige Angelegenheit
In »Looping« dient eine psychiatrische Klinik als Refugium für drei ganz unterschiedliche Frauen. Hervorragend gespielt von Jella Haase, Lana Cooper und Marie-Lou Sellem
Ben und Leslie haben ihre sechs Kinder fernab der Zivilisation im Geiste kosmischer Ganzheitlichkeit und kapitalismuskritischer Reflexion aufgezogen, doch Leslie wird krank und stirbt fernab in der Stadt. Ben und die Kinder reisen zur Beerdigung: ein Kulturschock für die Kinder, ein gefährliches Unterfangen für den Vater und ein filmischer Spiegel, der die kontinuierlich enger werdenden Räume für alternative Lebensentwürfe reflektiert: »Captain Fantastic«
Auch Besetzungscoup Daniel Radcliffe kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Sequel »Die Unfassbaren 2« um das mit neuem Personal ergänzte zauberhafte Spezialkommando ohne tragfähiges Drehbuch oder interessante Konflikte aus dem Boden gestampft wurde
Bislang erzählte Mia Hansen-Løve von den Umbrüchen der Jugend und arbeitete mit weitgehend unbekannten Darstellern. Nun vollzieht sie mit »Alles was kommt« den Sprung in die Elterngeneration: Im Mittelpunkt ihres fünften Films steht eine Philosophielehrerin (eine Glanzrolle für Isabelle Huppert), die ihr Leben neu in den Griff bekommen will, nachdem ihr Mann sie verlassen hat
Etwas schlichtes Öko-Märchen aus Spanien, in dem eine Jugendliche den alten Olivenbaum ihres Großvaters zurückzuerlangen sucht. »El olivo – Der Olivenbaum« scheitert trotz schönen Bildern an betulicher Naivität
Mit einem starken Ensemble leuchtet Elfi Mikesch in ihrem persönlichsten Film »Fieber« ein düsteres Kapitel ihrer Kindheit aus
Der Anfang überrascht. Für ein paar Momente legt Eric Lavaines Komödie um eine gescheiterte Architektin, die zu ihrer Mutter zurückkehrt, den Finger direkt in die Wunden eines von wirtschaftlichen Krisen geschüttelten Europas. Doch das ist nur ein Vorwand, um schließlich umso hemmungsloser auf schlecht getimte Gags und verlogenen Eskapismus zu setzen
Regisseurin Rebecca Miller und Schauspielerin Greta Gerwig verbünden sich für eine ebenso flirrende wie kluge romantische Komödie über eine Frau um die 30, deren zwanghafter Gestaltungswille an den Klippen des realen Lebens zerschellt: »Maggie's Plan«
Die Doku »El viaje« um den musikalischen Migrationshintergrund von »Die Ärzte«-Bassist Rodrigo Gonzalez beginnt wie eine x-beliebige Sentimental Journey, mausert sich aber durch die besuchten Protagonisten zu einer aktuellen und höchst politischen Dokumentation über Musiker, die ihre gesellschaftliche Rolle bitterernst nehmen
Mit dieser vermeintlich harmlosen Geschichte über eine Mutter, die ihrer verschollenen Tochter nachtrauert, gelingt Pedro Almodóvar ein Geniestreich: »Julieta«
Die Fortsetzung der Multi-Kulti-Komödie »Maria, ihm schmeckt's nicht« – »Antonio, ihm schmeckt's nicht!« entfaltet ihr fantasiereduziertes Grundsetting als schleppende Nummernrevue, die hundert Prozent überraschungsfrei durch die Straßen New Yorks stolpert
Medizinstudentin sieht sich beim Surfen in einer abgelegenen Bucht mit einem Hai konfrontiert. Wird ihr ihre Ausbildung helfen, die Bestie zu überlisten und das rettende Land zu erreichen? »The Shallows« ist ein reduziertes Thrillerkammerspiel mit einigen hübschen Einfällen
Cleveres und temporeiches Remake des Klassikers »Ghostbusters« von 1984. Diesmal jagen Melissa McCarthy, Kristen Wiig, Kate McKinnon und Leslie Jones den Geistern nach und erweisen sich als herrlich schlagfertige Truppe, die es mit Murray & Co. allemal aufnehmen kann. Ein sehr geistreicher Blockbuster...
Zwei Mädchen verschwinden im Marschland von Südspanien, zwei gegensätzliche Kommissare reisen an, um den Fall zu lösen: Alberto Rodríguez lässt seinen Film »La isla mínima« im Herbst 1980 spielen und verbindet so höchst stimmungsvoll Krimielemente mit der Auseinandersetzung über die langen Schatten der Franco-Diktatur
Marxismus-Leninismus, Jahrgang 1988: Die Finnin Kirsi Liimatainen sucht in »Comrade, where are you today?« ihre ehemaligen Studienfreunde von der Jugendhochschule Wilhelm Pieck auf, um zu fragen, was aus ihren Idealen geworden ist
Wie den beiden Vorgängerfilmen von J. J. Abrams mangelt es auch Justin Lins Beitrag an einer Geschichte, die Star Trek inhaltlich auf die Höhe der Zeit bringen könnte: zu schnell, zu viel, zu actionbetont. Auf den konzentrierten B-Picture-Stil von »Star Trek: Beyond« kann man aber aufbauen. Einfach mal am Skript basteln
Anstatt eine schlüssige Geschichte zu erzählen, werden in der fünften Episode der Urzeitkomödie »Ice Age« überdrehte und oft beliebige Sketche aneinandergereiht. Das ist oft immer noch unterhaltsam, doch im Urzeit-Universum von Mammut Manni & Co scheint jetzt endgültig die Luft raus

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