06/2015

In diesem Heft

Tipp

In der Edition Filmmuseum sind mit »Pazerkreuzer Potemkin« und »Oktober« die beiden berühmten Revolutionsfilme von Sergej Eisenstein erschienen
Die etwas andere Zeitreise der Brüder Spierig: Ein Zeitreise-Agent, der Verbrechen verhindern soll, bevor sie geschehen, soll im New York der 1970er Jahre die tödlichen Anschläge eines berüchtigten Terroristen verhindern
Der georgische Regisseur George Ovashvili hat ein Naturphänomen aus seiner Heimat zu einer Filmparabel verarbeitet, die vom Werden und Vergehen menschlichen Strebens erzählt. Ein kleines Meisterwerk, das auf mehreren Ebenen lesbar ist
Dominik Graf spricht am 24.6. in Frankfurt mit epd-Autor Ulrich Sonnenschein

Thema

Unsere "Steile These" des Monats Juli
Es sind nicht immer nur US-Blockbuster, die die nationalen Box-Office-Listen anführen. Über die Hits der anderen – und warum sie schon im Nachbarland nicht mehr laufen
Netflix schickt sich an, wahr zu machen, was der Streamingdienst vor Jahren mit dem Einstieg in die Serienproduktion angekündigt hat: das »normale« Fernsehprogramm alt aussehen zu lassen
Cassavetes und Godard haben es getan, Mike Leigh und Andreas Dresen können es gut. Und die schönsten Sätze standen sowieso nie im Skript. Die Improvisation ist eine unterschätzte Kunst – die im deutschen Film gerade im Trend liegt. Patrick Seyboth beschreibt, worauf es ankommt
Unsere "Steile These" des Monats Juni
Christina Hendricks kam mit ihrer Sekretärinnenrolle in der Serie »Mad Men« groß heraus, die ganz große Kinorolle aber lässt noch auf sich warten. Trotz Ryan Goslings »Lost River«
In seinen Filmen wird er oft ausgegrenzt und erniedrigt. Oder er erniedrigt andere. Normal sind die Typen, die Paul Dano spielt, jedenfalls selten. Da ist der obsessive Beach Boy Brian Wilson in »Love & Mercy« schon ein Lichtblick

Meldung

Zu den Standards der Oberhausener Kurzfilmtage gehören der internationale und der deutsche Wettbewerb. Besonders begeistert hat in diesem Jahr allerdings die Themenreihe zum – kurzen – 3D-Kino
Florian David Fitz. 40, ist extrem vielseitig: Schauspieler (»Männerherzen«, »Die Vermessung der Welt«), Sänger, Drehbuchautor (»Vincent will Meer«) und Regisseur (»Jesus liebt mich«). Aktuell spielt er in Christoph Hochhäuslers »Die Lügen der Sieger«. epd Film beantwortet er kurze Fragen über über seine Vorlieben und Filmerfahrungen

Filmkritik

Ein technikaffiner Teenager muss zusammen mit einem Erfinder in die Welt der Zukunft, um die Menschheit zu retten: ein ebenso verspieltes wie moralinsaures Disney-Abenteuer, das rund um den »Tomorrowland«-Themenpark gebaut ist
Das Reboot ist ein Triumph des Stils über die Story: George Miller reiht in atemlosem Tempo spektakulärste Stunts aneinander und zelebriert dabei grelle Endzeitoberflächen. Dahinter liegt aber eine große Leere, die selbst die grandiose Charlize Theron nicht zu füllen vermag
Dank einer glänzenden Hauptdarstellerin zeichnet Ingo Haebs Literaturverfilmung »Das Zimmermädchen Lynn« das fesselnde Porträt einer obsessiven, jungen Frau, die in keine Schublade passt
Dominik Graf setzt dem frühverstorbenen Kritiker Michael Althen mit »Was heißt hier Ende?« ein filmisches Denkmal. Es ist das Porträt eines Freundes und einer durchaus glamourösen Kultfigur einer selbstbewussten Feuilletonisten-Generation, das sich den Fallstricken des Formats (talking heads vor Bücherregalen) fantasievoll entwindet
Ein kühnes, mitreißendes cineastisches Experiment, 140 Minuten in einer einzigen ungeschnittenen Einstellung: »Victoria« ist ein rauschhafter atemloser Trip durch eine Berliner Nacht
Der neue Dokumentarfilm von Sung Hyung Cho wendet sich einem leisen, lange vergessenen Drama zu, den Liebesgeschichten zwischen nordkoreanischen Studenten und ihren Freundinnen in der DDR der fünfziger Jahre
Eine Teenagerin sucht ihren vom Vater ausgesetzten Hund, der einem Kampfhundetrainer in die Hände fällt, gleichsam wie Spartacus zum Gladiator ausgebildet wird – und schließlich eine Rebellion der Hunde anführt. Mischung aus Pubertätsgeschichte, Tierhorror und symbolschwangerer Fabel
Nicht so hart wie andere lateinamerikanische Straßenkinderfilme, aber ähnlich energiestrotzend wie »Slumdog Millionär«
Der Plot ist so dünn, wie sich das für einen Agentenfilm gehört, aber die komödiantische Detailfreude, mit der Paul Feig seine Spionage-Satire feminisiert, entfaltet eine hochinfektiöse humoristische Wirkung.
Rico und Oskar in neuer Mission: Dass die beiden Jungs sich in ihren jeweiligen Stärken und Schwächen so kongenial ergänzen, macht auch den neuen Film zu einem familiären Filmvergnügen
Statt zu Berliner Teenagern geht Bettina Blümner (»Prinzessinnenbad«) diesmal zu Pensionären nach Frankreich, die das Tanzbein schwingend über »l'amour« plaudern
Bill Pohlads Film »Love & Mercy« über das Leben von Beach Boys-Mastermind Brian Wilson ist mehr als eine gewöhnliche Musikerbiografie. Er beschreibt die kreativen Prozesse einer Neuerfindung und lässt dabei tief in die Seele eines getriebenen Künstlergenies blicken
Leben und Sterben in Detroit. Ryan Gosling überzieht die Wirklichkeit mit dem Höllenfeuer eines düsteren Märchens für Erwachsene. David Lynch und Nicolas Winding Refn standen bei diesem wahrhaft entfesselten Regiedebüt unverkennbar Pate, aber Gosling gelingt es, sich aus ihrem Schatten zu lösen
Ein geschasster Starkoch eröffnet einen Foodtruck und reist mit seinem Sohn durch halb Amerika. Nach einem amüsanten und pointierten Beginn verwässert der Film zu einer banalen Vater-Sohn-Geschichte. Die guten Ideen bleiben in Ansätzen stecken
Daniel Espinosa verzettelt sich gehörig mit seiner Verfilmung des preisgekrönten Kriminalromans von Tom Rob Smith. Tom Hardy spielt den MGB-Agenten Leo Demidov, der in der UdSSR der 50er Jahre einem Serienkiller auf der Spur ist, während er selbst vor stalinistischer Verfolgung fliehen muss
Eine Giraffe hat die Übersicht, aber das ist nur eine schlichte Metapher für die Menschen im gebeutelten Grenzort der Westbank. Sich für Giraffen einzusetzen, ist politisch folgenlos, erzählt aber viel über die andauernden Auseinandersetzungen im Israel-Palästina-Konflikt
In seinem Noir-Drama erzählt der indische Regisseur Kanu Behl von einem jungen Mann, der aus dem Elend und der Gewalt der Slums in ein anderes Leben ausbrechen will. Als Gesellschaftsporträt interessant, zeichnet der raue, weitgehend trostlose Film die meisten Charaktere zu ungenau, um wirklich zu berühren
Der georgische Regisseur George Ovashvili hat ein Naturphänomen aus seiner Heimat zu einer Filmparabel verarbeitet, die vom Werden und Vergehen menschlichen Strebens erzählt. Ein kleines Meisterwerk, das auf mehreren Ebenen lesbar ist
Der italienische Satiriker Pierfrancesco Diliberto vermischt in seinen semi-biografischen Erinnerungen an die Hochphase der Mafia-Morde Fiktion und Fakten und liefert einen intelligent zugespitzen Kommentar auf die sizilianische Gesellschaft aus einer kindlichen Perspektive
Christoph Hochhäuslers vierter Kinofilm nähert sich unserer alltäglichen Wirklichkeit mit den Mitteln des Politthrillers und entwirft dabei das Bild einer Welt, in der jeder Beobachter und Beobachteter ist
Drama über die Bewältigung traumatischer Erlebnisse eines Briten in japanischer Kriegsgefangenschaft. Der komplexe Prozess der Traumabewältigung wird hier in vorformatierte Erzählstränge gepresst und auf sehr ungelenke Weise mit einer romantischen Liebesgeschichte gekreuzt
Die wahre Geschichte der Holocaust-Überlebenden Maria Altmann, die den Staat Österreich auf Rückgabe geraubter Gemälde verklagte, erzählt der Film ebenso schlicht wie überemotional, ganz auf Identifikation setzend, wozu leider auch die klischeehafte Darstellung der Protagonistin durch Helen Mirren gehört
Nach »Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr« und »Ein Lebender geht vorbei« die dritte Auskoppelung aus den Interviews, die Lanzmann für »Shoah« geführt hat. Es geht um die Frage der schuldhaften Verstrickung der jüdischen Offiziellen am Beispiel des Theresienstadt-Überlebenden Benjamin Murmelstein. Der Film zeigt, dass angesichts der systematischen Vernichtung von Millionen von Menschen Fragen der Moral auch unauflösbare Widersprüche nach sich ziehen
Martin Gressmann montiert seine Langzeitbeobachtung über das Gelände des ehemaligen Gestapohauptquartiers in Berlin zu einem bestrickenden Essay über Erinnerungskultur und Stadtgeschichte
Depression zwischen Betroffenheit und Wissenschaft: In ihrem ambitionierten Film gelingt es den Regisseuren Miriam Jakobs und Gerhard Schick nicht wirklich, die beiden komplexen Bereiche zusammenzubringen
Mit der Drohne auf dem Pilgerweg: Die konventionelle Dokumentation verlässt sich zu sehr auf beeindruckende Luftaufnahmen
Ein visuell grandioses, bewegendes Filmpoem über einen jungen Marokkaner, der auf einem Windsurfbrett nach Europa gelangen will. Mit wenigen Worten erzählt der Holländer Jan-Willem van Ewijk von der Sehnsucht nach der Ferne, nach einem anderen Leben – und von der Weite des Ozeans zwischen den Welten. Über seine lyrischen Qualitäten hinaus ein starkes humanistisches Statement
Wortkarger Film über einen einsamen Mann, der das Leben nicht mehr aushält und ohne wirklichen Grund beginnt, um sich zu schießen. Konzentriert und doch nicht konsequent genug erzählt Zoltan Paul eine Geschichte aus der modernen Großstadtwelt
In dieser turbulenten Liebes- und Heimatkomödie reist ein Andalusier seiner großen Liebe, einer Baskin, hinterher. Baskisch-spanische Ressentiments lösen sich in diesem familienkompatiblen Lustspiel mit Sprachwitz und kreativen Beschimpfungen auf
Dokumentarfilm über das Kino der Weimarer Republik, angelehnt an Kracauers Studie. Die Filmausschnitte von bemerkenswerter Qualität sind leider sehr rasch montiert und mit Dauerkommentar unterlegt
Im letzten Dokumentarfilm von Bernd Schaarmann geht es um den Umgang der Überlebenden mit ihren Toten. Die Herkunft aus der Fernsehproduktion merkt man dem Film dabei deutlich an
1968 kommt ein Junge in ein sogenanntes Heim für schwer Erziehbare. Kompromisslos zeichnet »Freistatt« die von den Betreuern ausgehende und unter den Jugendlichen herrschende Gewalt nach
Drei Morde. Drei ganz verschiedene Versuche, mit der Schuld und dem Verlust fertig zu werden. In seiner einfühlsamen Doku plädiert Hubertus Siegert, im Sinne der restorative justice, für den Dialog zwischen Tätern und Hinterbliebenen

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