Kritik zu Zettl

© Warner Bros.

Die sechsteilige Serie »Kir Royal« gehört zu den Sternstunden des Fernsehens. Jetzt hat Helmut Dietl versucht, die Berliner Politszene satirisch unter die Lupe zu nehmen

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Was die Münchner Geschichten in »Kir Royal« rund um den ewigen Stenz Monaco Franze so vergnüglich machte, war die wunderbare Balance aus augenzwinkernd selbstkritischem Biss und liebevoller Zärtlichkeit, mit der die Serien den Lebensstil der saturierten Münchner Schickeria zelebrierten. Sie waren mitten aus der Szene heraus geschrieben, gedacht, gefühlt, gelebt, von einem der sich damit auskannte, der zugleich Insider und Beobachter war. Jetzt ist Helmut Dietl für drei Jahre aus dem heimischen Münchner Pool ins große Berliner Meer geschwommen, hat aber vom Berliner Lebensgefühl doch nur die Klischees gesehen, die er auch vorher schon im Kopf hatte. Detlev Buck hat jedenfalls sehr viel weniger Zeit gebraucht, um das Neuköllner Klima für seinen Film Knallhart glaubhaft einzufangen.

Nun also Zettl, in dem Dietl die Idee der sechsteiligen Fernsehserie »Kir Royal« ein wenig weiterspinnen wollte, wobei ihm mit dem Einstieg ein gar nicht so schlechter Coup gelungen ist: Mit ein bisschen Computerunterstützung hat er da eine Skyline ans Spreeufer gezaubert, die einen Moment lang fast glauben lässt, man befinde sich am Hudson River, einen kurzen Moment lang oszilliert das Bild wie eine optische Täuschung zwischen Berlin und New York. Doch mit Anspielungen und Schwebezuständen hält sich der Film nicht lange auf, schon schmettert Frank Sinatra »New York New York«, als gäbe es nicht genug tolle Berlin-Songs, mit denen sich dieses Spiel unterstützen ließe. Doch freilich würde dann auch die Brückenkonstruktion fehlen, vom Münchener Dorf über die Berliner Hauptstadt zur New Yorker Metropole, denn aus der Münchener Klatschkolumne soll jetzt ein Berliner »New Yorker« werden, ein »New Berliner«, finanziert von einem Schweizer Unternehmer. Und weil Baby Schimmerlos tödlich verunglückt ist – Franz Xaver Kroetz hat mit sicherem Instinkt gespürt, dass sich der unwiderstehliche Charme von »Kir Royal« nicht wiederbeleben lässt –, fehlt dem luftigen Projekt plötzlich ein Chefredakteur. Eine Leerstelle, die der umtriebige Chauffeur Zettl mit einer Mischung aus Rumor und Twitter, Gossip und talk of the town ausfüllen will. Weil Bully Herbig die Kunst des souveränen Durchschlawinerns so perfekt beherrscht, weil er in schöner Guy-de-Maupassant-Manier mit Überzeugungen und Ansichten jongliert, weil ihm luftige Wortspiele so beiläufig von den Lippen gehen, wie ihm der schlitzohrige schläfrige Gesichtsausdrück über die Züge huscht, ist diese Figur durchaus sympathisch.

Gerüstet mit fünf von der Bank erschlichenen Millionen geht es an die Einrichtung einer Designerloft-Redaktion, an die Produktion einer Netz-Nullnummer, und mitten hinein in den politischen und gesellschaftlichen Sündenpfuhl von Berlin Mitte, wo unter anderem eine transsexuelle Bürgermeisterin, der Ministerpräsident von Mecklenburg Vorpommern, der Noch-Kanzler und eine Fernsehtalkgastgeberin um Vorteile und Quoten, um Wähler, Sponsoren und Bettgefährten schachern. Schwerfällig scharwenzelt der Plot durch die Berliner Szene, wie man sie sich eben in München so vorstellt. Dass die Bezüge zu aktuellen Skandalen und Krisen in Presse, Politik und Finanzen weder Brisanz noch Biss entwickeln, mag auch daran liegen, dass sich Affären wie die Causa Wulff schon in der Wirklichkeit so unerquicklich lange hinziehen. Wunderbare Schauspieler wie Ulrich Tukur, Harald Schmidt, Sunnyi Melles und Götz George laborieren als zappelnde Knallchargen mit absurden Frisuren und aberwitzigen Dialekten Immer unter Strom: Zettl (Michael Herbig) und seine Freundin Verena (Karoline Herfurth) aus Schwaben, Sachsen und der Schweiz. Nur Hanns Zischler spielt vergleichsweise diskret, Senta Berger und Dieter Hildebrandt retten ein wenig vom alten »Kir Royal«-Charme und Karoline Herfurth kann inmitten all der falschen Gefühle ein paar echte freisetzen. Beiläufig, subtil oder pointensicher ist hier rein gar nichts, das gilt auch für den sterilen Hochglanzlook des Berliner Stahl-, Beton- und Glasdorfes, in dem Fernsehturm und Reichstagskuppel, Kanzleramt, Sony Center und das Ritz Carlton als Zitatgerüst fungieren, in das eine Münchner Vorstellung vom Berliner Leben eingepasst ist, samt kleiner Ausflüge in graffitibesprühte und müllgesprenkelte Hartz IV-Nischen und penetrant originelle Nightlife-Oasen im Rohbau eines Betonwolkenkratzers. Bleibt die Frage, warum Helmut Dietl für diesen Reißbrettentwurf überhaupt nach Berlin pilgern musste.

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