Kritik zu Yung

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Berlin, die Drogen, der Sex und jede Menge schräge Gestalten: Henning Gronkowski folgt in seinem Regiedebüt den drogenumnebelten Partyexzessen einer Berliner Mädchengruppe kurz vor dem Abi

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Wie wohl kein anderes Setting erscheint Berlin im deutschen Nachkriegsspielfilm als ein immer wieder faszinierendes Biotop der Unangepassten und Abgehängten – allein aus den letzten zwanzig Jahren hiesiger Kinogeschichte lässt sich eine ganze Reihe an Filmen zusammenstellen, die uns denkwürdige Bewohner hauptstädtischer Zwischenwelten bescherten: »Nachtgestalten« (1999), »Herr Lehmann« (2003), »Berlin Calling« (2008), »Victoria« (2015). Ob »Yung«, Henning Gronkowksis Regiedebüt, dieser illustren Runde beitreten wird, bleibt abzuwarten. Zwar mangelt es Gronkowskis Film nicht an einigen der typischen Zutaten neuerer Berlin-Filme; im Gegensatz zu diesen Vorgängern aber setzt der Regisseur weniger auf unvergessliche Figuren als auf vermeintliche Authentizität, die oft in krampfhafte Schockwirkung mündet.

Gronkowski, der als Schauspieler in Filmen von Kult-Regisseur Klaus Lemke bekannt wurde, zeichnet hier das Porträt einer verlorenen Generation von Jungberliner*innen: Mit dem Aufstieg der Stadt zur Partymetropole Europas und der allgemeinen Verfügbarkeit von harten Drogen wachsen die Jugendlichen in einer zwar freien, aber auch gefährlichen Welt auf. »Yung« folgt einer Mädchengruppe kurz vor dem Abi, deren Hobbys Techno, Feiern und »Ballern« sind – also der ausgiebige (Misch-)Konsum von chemischen Drogen wie Ketamin, Ecstasy und GHB.

Dass der Regisseur die vier Protagonistinnen mit Laiendarstellerinnen besetzt hat, ist der gelungenste Aspekt dieses Regiedebüts: Janaina, Joy, Abby und Emmy sind der emotionale Kern des Films – ohne ihre glaubwürdigen, sympathischen Performances würde »Yung«, der auf einen klassischen Plot gänzlich verzichtet, vollkommen zerfasern. Weniger elegant ist die Entscheidung, die Figuren in eingeschobenen Interview-Sequenzen ihre Gefühle und Erfahrungen beschreiben zu lassen. Was als kunstvolle Verwischung von Dokumentar- und Spielfilm gedacht ist, stört den Fluss des Films erheblich.

Besonders irritierend aber ist, dass »Yung« zwanghaft versucht zu schocken, was mit einem fragwürdigen, lüsternen Voyeurismus einhergeht: Den drogenumnebelten Partyexzessen folgen nicht selten teilweise unsimulierte Sexszenen, deren explizite Porno-Ästhetik so gar nicht zu dem einfühlsamen Porträt einer Frauenfreundschaft passen will, das der Film behauptet zu sein. Dass die Inszenierung des hedonistischen Lifestyles durchaus authentisch sein mag, macht es nicht besser: Denn wo etwa »Berlin Calling« einen empathischen Blick auf das wilde Partyleben und die möglichen psychischen Konsequenzen warf, liefert »Yung« seine Protagonistinnen auf unangenehme Weise sensationsgierigen Blicken aus, besonders in einer drastischen Vergewaltigungsszene gegen Ende. Im Gegensatz zu gelungenen Club-Dokus wie »Denk ich an Deutschland in der Nacht « vermag der Film schließlich noch nicht einmal die elektrisierende Stimmung erfahrbar zu machen, der seine Figuren auf der Tanzfläche immer wieder hinterherjagen.

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