Kritik zu Womb

© Camino

Ein bizarres Liebesmärchen aus der nahen Zukunft. Eva Green als Rebecca bringt den Klon ihres tödlich verunglückten Geliebten zur Welt. Regisseur Fliegauf interessiert dabei mehr das Melo als die Science-Fiction

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Welch ein Glück – seit langer Zeit endlich wieder ein Film, der seine Geschichte hauptsächlich über Bilder erzählt, über Blicke, Details und Gegenstände, die sich mit persönlicher Bedeutung aufladen. Sogleich wissen wir, dass sich Rebecca und Tommy, die beiden Kinder, die sich an einer abgelegenen Küste irgendwo im Norden kennengelernt haben, für immer lieben werden. Da ist die Intensität ihres Blickwechsels. Und da ist diese Birne, in die Tommy hineinbeißt, und die er dann achtlos fallen lässt. Rebecca nimmt sie an sich, sie bewahrt sie noch auf, als sie schon angefault ist – ein Souvenir der ersten Liebe. »Womb«, inszeniert von dem Ungarn Benedek Fliegauf, ist auch ein Film über die Vergänglichkeit, über Abschiede und den Tod und die Rebellion dagegen.

Abschied und Wiederkehr, Ebbe und Flut. Nach zwölf Jahren kehrt Rebecca an die einsame Küste zurück. Sie ist jetzt eine junge Frau, gespielt von Eva Green, die bei Bertolucci (»Die Träumer«) und neben James Bond (»Casino Royale«) schon Figuren fremder, rebellischer Poesie verkörpert hat. Sie sucht nach Tommy und findet ihn wieder. Er ist immer noch ein verrückter Junge, verrückter denn je. Er studiert Biologie und ist Umweltaktivist, Mitglied der Blütenstaubguerilla, die sich gegen den Bau einer Reproduktionsklinik zur Wehr setzt. Die zwei sind ein wunderbares Liebespaar. Aber etwas Bedrohliches liegt über ihrer wiedergefundenen Liebe. Das Schicksal schlägt bitterböse zu: Auf der Fahrt zu einer Umweltaktion kommt Tommy zu Tode.

Biologie und Natur spielen in Fliegaufs Filmen eine große Rolle. Es kommen vor: Kakerlaken, eine Schnecke, ein alles witternder Hund, Meer und Wasser sind in fast jeder Einstellung präsent. Gegen das Organische, gegen das Natürliche lehnt sich nun Rebecca auf. Eine entschlossene weibliche Rebellion ist das gegen den Verlust und das Schicksal. Aber auch bittere Ironie schwingt mit, als Rebecca die DNA des toten Tommy benutzt, um sich künstlich befruchten zu lassen, in einer Klinik, die Tommy leidenschaftlich bekämpft hätte.

»Womb« ist aber nie ein Science-Fiction-Film, der das Klonen zur Diskussion stellt. Er ist vielmehr ein bizzares Melo, die Geschichte eine Amour fou, Traum und Alptraum einer Grenzen überschreitenden Liebe. Rebecca bringt Tommy 2 zur Welt, als Replikant ist er bald rassistischen Vorurteilen ausgesetzt. So zieht sich Rebecca mit ihm ganz zurück: in ein großen Stelzenhaus an einem Strand am Ende der Welt. Jener Traum ist für sie wahr geworden, dass man jemanden, den man vollkommen liebt, schon als Kind kennenlernt. Doch der Alptraum lauert im Laufe der Zeit, im Heranwachsen von Tommy. Das Schreckgespenst des Inzests, der biologisch kein Inzest ist, lauert über dem Heim, das unheimlich am Strand steht. Wird sich Tommy 2 zu einem Norman Bates entwickeln?

Welch ein Glück – seit langer Zeit endlich wieder ein Film, der die Mise en scene wiederentdeckt, die Positionierung der Figuren in Räumen und in der Landschaft. Im Grunde ist Fliegaufs Film ein melancholisches Kammerspiel über die Einsamkeit und Zweisamkeit in Anbetracht der Unendlichkeit des Ozeans (des großen »womb«, zu deutsch Mutterleibs), hervorragend fotografiert von Peter Szamari.

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