Kritik zu Wie weit noch – Qué tan lejos

- kein Trailer -

2006
Original-Titel: 
Qué tan lejos?
Filmstart in Deutschland: 
29.10.2009
L: 
92 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Tania Heridas Roadmovie über zwei Frauen unterwegs nach Quenca wurde in Ecuador zum nationalen Kinohit. Für europäische Zuschauer funktioniert er gut als landeskundliche Einführung in lokale Merkwürdigkeiten und Befindlichkeiten

Bewertung: 3
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Es macht immer besonders neugierig, einen Film aus einem bisher fast unbekannten Filmland zu sehen. Ecuador zum Beispiel, die 14-Millionen-Einwohner-Andenrepublik am Pazifik, ist – zumindest aus deutscher Sicht – filmisch ein kaum beschriebenes Blatt. »Wie weit noch – Qué tan lejos« war dort 2006 der erfolgreichste Film der ecuadorianischen Kinogeschichte überhaupt. Offensichtlich finden die Menschen dort sich und ihr Leben in diesem Film wieder.

Das überrascht zuerst ein wenig: Denn auch wenn die in Havanna ausgebildete Regisseurin Tania Herida nach eigener Aussage mit den »Konventionen des sogenannten Dritt-Welt-Kinos brechen« und den touristischen Postkartenblick auf ihr Land und seine Bräuche vermeiden wollte: Mit seinen vielen Minilektionen in ecuadorianischer Landeskunde (Landschaften und Ethnien werden vorgestellt und Streiklust, Auswanderung, Telenovela-Besessenheit und Fußballbegeisterung in Episoden abgearbeitet) scheint Heridas Roadmovie am Ende doch nur die et- was hintergründigere Reiseführervariante aus dem Alternativsortiment. Dies ist ein Film, der seinen Bildungsauftrag für keine Dialogzeile vergisst. Manchmal fühlt man sich da schon arg an die Leine genommen, bekommt aber – durch die Inszenierung selbst wie ihre Rezeption – einen gut gegründeten Einblick in ecuadorianische Befindlichkeiten.

Beide Hauptfiguren sind Repräsentanten: Esperanza, die überdrehte katalanische Reisebüroangestellte, die auf ihrer diesjährigen Jahresreise die Schönheiten des Andenlandes mit Rollkoffer und Videokamera erkunden möchte, jeden anplappert und Indigene einfach cool findet. Und Teresa, die sich spontan in Tristeza umbenannt hat, in Quito studiert und Octavio Paz liest: ernsthaft, in Grundopposition zum Leben, Gringos und Spaniern von Herzen abgeneigt. Sie ist auf dem Weg in den Süden, um dort einen ehemaligen Geliebten an der vermeintlich erzwungenen Heirat mit einer reichen Jugendfreundin zu hindern. Im Überlandbus nach Quenca sitzen die beiden Frauen zufällig nebeneinander. Als der von einem Streik mit Straßensperren auf unbestimmte Zeit gestoppt wird, will Tristeza per Anhalter weiterreisen, die Spanierin schließt sich ihr an. Unterwegs treffen die beiden auf Jesus, einen leicht verlotterten langhaarigen Gelegenheitsschauspieler, der die Asche seiner Großmutter nach Quenca zum Begräbnis bringt.

Die Reise geht genreüblich stockend voran, was nichts macht, denn die weite Landschaft zwischen Hochebenen und Vulkanen ist in attraktiven leicht verblassten Ansichten eingefangen. Dabei wurden für den Dreh alle für die Handlung unwesentlichen Menschen aus Straßen und Dörfern entfernt – eine geisterhaft melancholische Stimmung, die auch metaphorisch für die äußere und innere Emigration vieler Ecuadorianer stehen soll. Spektakuläres geschieht nicht. Doch wie es sich im Roadmovie gehört, kommen die Reisenden mit ihrem Ziel auch sich selbst langsam näher. Und auch wir haben unsere Einführungslektion gelernt und warten jetzt mit Interesse auf den nächsten Film aus Ecuador, wo es seit kurzem eine nationale Filmförderung gibt.

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