Kritik zu Wagner & Me

© Verleih

2010
Original-Titel: 
Wagner & Me
Filmstart in Deutschland: 
21.06.2012
L: 
89 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Tausendsassa Stephen Fry reist zu seinem Musikidol Richard Wagner nach Bayreuth und an andere Wirkungsstätten. Und wirft einen ganz persönlichen Blick auf den umstrittenen Komponisten

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Stephen Fry war von frühester Jugend an – nicht gerade zur Freude seiner Eltern – ein Wagner-Verehrer. Auf Vaters Grammophon hörte er zum ersten Mal die Ouvertüre zu »Tannhäuser«, die noch heute zu seinen Lieblingsstücken zählt. Als er endlich – als Darsteller – die Gelegenheit erhielt, nach Bayreuth und an andere Wirkungsstätten Wagners wie das Mariinski-Theater in St. Petersburg oder das Ludwig-Schloss Neuschwansteinzu pilgern – bewegt er sich auf einem Terrain, das ihm seit Jahrzehnten im Geiste vertraut ist. Als der »Fremdenführer« Stephen Fry den Grünen Hügel erklimmt, an den ersten Proben zum »Ring« teilnehmen darf, hinter die Kulissen und in die Werkstätten des ehrwürdigen, eigens für Wagner erbauten Opernhauses schauen darf, kennt seine Begeisterung keine Grenzen. Das ist keine Schauspielerei, das ist echt! Aber fast im gleichen Atemzug rückt sein großer Konkurrent, der diese Leidenschaft mit ihm teilte, ins Bild: Adolf Hitler im Smoking und mit Gruß in jenem unscheinbaren Fenster neben dem Eingang des Festspielhauses, das kein nachgeborener Besucher verfehlen kann. Dass schließlich auch der Besuch des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg auf dem Reiseplan steht und die Meinung des deutschen Historikers Joachim Köhler gefragt ist, rückt die spätere Verstrickung der Wagnerfamilie in die deutsche Politik ins trübe, aber richtige historische Licht.

Dass Fry Jude ist, hat er bislang nicht an die große Glocke gehängt, dass er Verwandte in Auschwitz verloren hat, soll er erst in den letzten Jahren zufällig durch eine Fernsehdokumentation erfahren haben, aber seiner Liebe für die Wagnermusik tat das keinen Abbruch. Wenn Fry neben dem Pianisten Stefan Mickisch der Dramaturgie des »Tristan-Akkords« nachspürt, dann ist damit nicht nur die Demonstration subtilster Wagnerischer Musikdramatik gemeint – wohlgemerkt gespielt auf Wagners Flügel in Wagners Wohnstatt im Hause »Wahnfried«. Wenn Zuhörer Fry dann vor lauter Aufregung den falschen letzten Ton erwischt, bleibt dieser kleine Missklang in Erinnerung wie der nicht zu entfernende Fleck auf einem großen Werk. Dass die Musik jedoch nicht mit dem Makel seines Schöpfers abzustrafen sei, der bereits in frühen Jahren mit »Das Judentum und die Musik« eine üble antisemitische Schrift verfasste, und dessen Musik durch die enge Freundschaft der Wagner-Familie mit dem politischen Emporkömmling Hitler in ein schiefes Licht geriet, ist Stephen Frys größtes Anliegen. Erst im Epilog des Films ist er im Gespräch mit der jüdischen Cellistin Anita Lasker-Wallfisch zu sehen, die mit 18 im Orchester von Auschwitz spielte und Fry vor Bayreuth warnte und ihm stattdessen eine CD empfahl. Doch die Botschaft des Films ist eindeutig: dass große, von »Engeln« geschriebene Musik – große Kunst – nicht von einer Ideologie oder fragwürdigen Bewunderern vereinnahmt werden kann.

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