Kritik zu Waffenstillstand

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Von allen amerikanischen Filmen über den Irakkrieg kann sich seit dem Oscar einzig »Hurt Locker« als erfolgreich bezeichnen. Nun versucht sich auch eine deutsche Produktion am Genre

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»Falludscha ist mehr als der Name einer Stadt. Falludscha ist der Inbegriff eines Krieges, wie Guernica, wie Stalingrad, wie Grosny«, hieß es 2005 in einem Dossier der »Zeit«. Im Jahr 2004, in dem Lancelot von Nasos Film »Waffenstillstand« spielt, verwandelt und verwüstet die Militäraktion »Vigilant Resolve« der Amerikaner Falludscha, das rund 50 Kilometer westlich von Bagdad liegt. Von Naso hat Falludscha in Marokko nachbauen lassen. Felix Cramers Kamera nimmt eine Stadt auf, der vom Krieg gewaltige Wunden geschlagen wurden, einen Katastrophenort.

In einem Transporter macht sich eine kleine Schicksalsgemeinschaft von Bagdad auf nach Falludscha. Drei Männer und eine Frau sitzen aus unterschiedlichen Gründen mit dem Fahrer Husam (Husam Chadat) im Auto. Kim (Thekla Reuten), Leiterin einer Hilfsorganisation, und der Arzt Alain Laroche (Matthias Habich) wollen medizinische Hilfsgüter in ein von Bomben getroffenes Krankenhaus bringen. Den Fernsehjournalisten Oliver (Max von Pufendorf) und seinen zunächst widerstrebenden Kameramann Ralf (Hannes Jaenicke) locken die exklusive Nachricht und die sensationellen Bilder. Falludscha ist während eines 24-stündigen Waffenstillstands erstmals wieder für Ausländer zugänglich. Das will sich der ehrgeizige Oliver nicht entgehen lassen.

Lancelot von Naso ist ein starkes Kinodebüt gelungen. »Waffenstillstand« traktiert die Sinne des Zuschauers. Man glaubt geradezu, den Staub zu schlucken. Die Landschaften erscheinen in verwaschenen Farben, wie in Agonie; Leben sieht anders aus. Das Drehbuch von Lancelot von Naso, Kai Uwe Hasenheit und Collin McMahon maßt sich keine politische Deutung der militärischen Aktionen an, der Film zeigt die Folgen des Krieges für die Menschen und konzentriert sich dabei auf die vier Ausländer im Auto.

Hannes Jaenicke gibt den zynischen Beobachter, sein Kameramann Ralf ist das distanzierte Auge, das schon alles gesehen hat. Max von Pufendorf verkörpert den smarten Karrieristen, der anfangs bereit ist, seine Seele an den Krieg zu verkaufen. Thekla Reuten als Kim ist irritierend, weil ihre von Idealismus gespeiste Naivität das Leben der Gruppe gefährdet; sie lügt auch virtuos für den guten Zweck. Matthias Habich als des Überlebens müder Alain hängt am Morphium, sein uralt und hinfällig wirkender Körper strahlt Weisheit, aber auch eine große Vergeblichkeit aus.

Der 1976 in Heidelberg geborene Lancelot von Naso beweist in seinem ersten Spielfilm bemerkenswerte handwerkliche Sicherheit. Er kann Bilder zum Laufen bringen, Action liegt ihm, und er hat Sinn für Atmosphäre und Stimmungen. Vor allem aber kann er spannend von Menschen erzählen, die an einem Wendepunkt in ihrem Leben stehen und den entscheidenden Moment nicht verpassen wollen. Am Ende ist wenig besser als vorher und manches sogar schlimmer. Die Entscheidung, ob es lohnt, sein Leben zu riskieren, um Leben zu retten, überlässt der kluge Filmemacher von Naso dem Publikum.

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