Kritik zu Stronger

© Studiocanal

David Gordon Green erzählt mit­­­ ­Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle die wahre ­Geschichte eines Zuschauers des Boston-Marathons, der bei dem ­Attentat 2013 beide Beine verlor

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Nach Peter Bergs »Boston« von 2016 kommt mit David Gordon Greens »Stronger« bereits der zweite Film über den Anschlag auf den Boston-Marathon 2013 bei uns ins Kino. Green wählt jedoch eine andere Perspektive als Bergs Thriller, der vor allem die tagelange Suche nach den Tätern illustrierte. Nach dem autobiografischen Buch, das Jeff Bauman über seine Erlebnisse verfasste, schildert »Stronger« die steinige Rückkehr eines schwer Versehrten ins Leben.

Der Titel greift den T-Shirt-Aufdruck »Boston Strong« auf, den Studenten nach dem Anschlag entwarfen. Auf den ersten Blick also variiert der Film ein uramerikanisches Muster, gemäß dem die Niederlage in einen Triumph umgemünzt wird. Von solchen Durchalteparolen hebt sich »Stronger« jedoch ab, weil die Schwäche und das Martyrium realistisch bebildert werden.

Jeff Bauman (Jake Gyllenhaal) wird uns vorgestellt als charmanter Loser, der mit 27 noch bei der Mama wohnt. Bei seiner Arbeit als Hähnchenbrater baut er per­manent Mist, den die Kollegen ausbaden müssen. Wegen dieser Unzuverlässigkeit hat die patente Freundin Erin (Tatiana Maslany) wieder einmal Schluss gemacht. Um sie zurückzugewinnen, jubelt er ihr beim Marathonlauf zu, an dem sie teilnimmt. Unglücklicherweise detoniert direkt neben ihm eine der Bomben und reißt ihm beide Unterschenkel weg.

Die dokumentarisch anmutende Explosion in einer großen Menschenmenge zählt zu den beeindruckenden Momenten dieses Films, der sich dem Thema zunächst konventionell anzunähern scheint. Das heißt: Man sieht die verstümmelten Beine nie direkt, weil »zufällig« immer ein Hindernis die Sicht versperrt. Viel später erst erlauben CGI-Bilder einen anatomisch realistischen Blick auf den zersplitterten Knochenstumpf – doch diese Szenen sind nicht voyeuristisch.

Ob Beziehungskrise oder schmerzhafte Reha mit Prothesen: Green findet meist die Balance zwischen anrührenden Momenten und analytischer Durchdringung. Das liegt an seinem klaren Blick auf Jeff Baumans Unterschichtmilieu. In der Schlüsselszene kommt die Freundin Erin leicht bekleidet aus dem Bad und wird von Jeffs Mutter rüde angeraunzt: »Hatten Sie Sex mit meinem Sohn?« Als Erin dies bejaht, scheint es für die Mutter schlimmer zu sein als Jeffs Beinamputation. Doch die trinkende, übergriffige Mutter – glänzend gespielt von Miranda Richardson – wird dabei ebenso wenig vorgeführt wie die gruselige amerikanische Celebrity-Kultur. Wird der Rollstuhlfahrer Jeff dazu genötigt, im vollbesetzten Stadion die Fahne hochzuhalten, dann ist sein Unbehagen mit Händen zu greifen.

Man ist zunehmend erstaunt, wie Jake Gyllenhaal diesen darstellerischen Kraftakt meistert. Er muss diesen Film auch nicht ­allein schultern, weil eine Vielfalt von Themen angerissen wird. So gerät Jeff einmal in eine Wirtshausprügelei mit Verschwörungstheoretikern, die ihm unterstellen, er hätte sich bezahlen lassen: Präsident Obama habe ihn als Symbolfigur gebraucht, um einen Krieg rechtfertigen zu können. Jeff und
Erin leben übrigens längst getrennt, ein klein wenig geschönt ist der Film dann doch.

Meinung zum Thema

Kommentare

unheimlich gute Darstellung von Jake, seiner Mutter und der Freundin, für mich sehr wirklichkeitsnahe Szenen und Emotionen, ich war gefesselt...

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