Kritik zu Stille Hochzeit – Zum Teufel mit Stalin

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Man fühlt sich wie in den Filmen Emir Kusturicas oder in den Texten von Ionesco, Cioran oder Mircea Eliade: vital bizarr, vollmundig absurd und von vielsagender Komik, eine weitere filmische Entdeckung aus Rumänien

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Der Film beginnt im heutigen Rumänien mit einem Besuch in der sozialistischen Vergangenheit. Eine verlassene Industrielandschaft, in kalten Blautönen, bevölkert von Menschen, deren Schicksal vom Lauf der Welt nicht mehr tangiert wird. Eine alte Hure, schwarz gewandete Klageweiber, ein Mädchen im Hochzeitskleid. Dazwischen ein Filmteam auf der Suche nach Paraphänomenen. Dann kippt das Bild in eine einladende Farbigkeit und wir befinden uns im Jahr 1953, kurz vor Stalins Tod, in einem lebhaften Dorf, das zwischen Sex, Schnaps und mangelndem Lampenöl ein freudvoll karges Leben fristet. Ein junges Paar soll heiraten. Und das Kino wird ins Dorf kommen, mit einem sozialistischen Propagandafilm. Alle werden aufgefordert teilzunehmen. An dieser Stelle gelingt dem Film eine erste Szene von unglaublicher visueller und symbolischer Kraft: Noch während der Wochenschau beschleunigt er das Bild und macht aus den Zuschauern Protagonisten einer Screwball-Comedy, die über ihre eigene Absurdität lachen müssen. Die Wirklichkeit ist lächerlich, der folgende Film dann dramatisch, aber wirklich erhaben ist die Kunst nur dann, wenn sie lebt.

Dass die große Hochzeit dann nicht stattfinden darf, weil die Trauer um Stalin keine Feste zulässt, dass der kommunistische Apparat in all seiner Gewalt auf dieses Dorf niederschlägt und es dem Erdboden gleichmacht, das ist der historischen Wirklichkeit geschuldet. Die stille Hochzeit aber, die die Bewohner des Dorfes in der Scheune feiern, mit stummen Reden, tonloser Musik, ohne klimperndes Besteck und mit Socken umwickelten Gläsern, das ist der eigentliche Höhepunkt des Films. Kaum ein Laut wird produziert, und doch ist das Bild nicht stumm, es wird nicht gesprochen, doch unheimlich viel erzählt und die Handlung kommt an keiner Stelle ins Stocken. Bis die Protagonisten, von ihrer eigenen Disziplin überrascht, alle Hemmungen fahren lassen. Mit dem bekannten tragischen Ende.

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