Kritik zu Song to Song

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Die Unterhaltungsindustrie als überfüllte Hölle der Einsamkeit und Leere: Terrence Malick bietet in seinem neuen, wieder äußerst hochkarätig besetzten Liebesdrama seinen Pantheismus als Erlösungsmodell für moderne Seelenqualen an

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An Terrence Malick scheiden sich seit Jahren die Geister. Die einen feiern seine Filme wie »The Tree of Life« (2011) als große Filmkunst, die anderen halten sie für esoterischen Kitsch. Wahrscheinlich muss man zwischen seinem Frühwerk »Badlands« (1973) und In der »Glut des Südens« (1978) und der Phase nach zwanzig Jahren Pause mit Filmen wie »Der Schmale Grat« (1998) unterscheiden. Seit letzterem hat er sich immer radikaler den narrativen Kinokonventionen verweigert und einen am Pantheismus und Henry David Thoreaus »Walden« orientierten Naturmystizismus erkundet, formal und inhaltlich.

In seinem neuesten Werk »Song to Song« wendet er sich nun von der Wildnis ab, kehrt zurück in die Zivilisation, die sich als umso unmenschlicher erweist, voller abweisender glatter Oberflächen. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass er in Austin, Texas, wo er selbst in den 50er Jahren zur Schule ging, in die Musik- und Festivalszene eintaucht. Im Mittelpunkt, wenn es in einem Malick-Film so etwas gibt, steht Faye (Rooney Mara), eine ehrgeizige Nachwuchs­musikerin, die sich mit einem mächtigen Plattenboss (Michael Fassbender) einlässt, aber auch eine Liaison mit einem Musikerkollegen (Ryan Gosling) beginnt, der ebenfalls in den Dunstkreis des Impresarios gerät. Das alles erinnert an Truffauts »Jules und Jim«, dem Klassiker der cineastischen Dreieckskonstellationen, ist aber wie so oft bei Malick dramaturgisch wenig ausgegoren. Seine Inszenierungsmethode, Hollywoodstars in frei improvisierten Szenen gewähren zu lassen und anschließend im Schnitt und mit hingehauchten Off-Kommentaren in eine fließende Kohärenz zu überführen, ist angelehnt an den aus der Literatur bekannten Bewusstseinsstrom. Und so setzt sich auch »Song to Song« statt eine stringente Geschichte zu erzählen aus einzelnen Momenten zusammen, die man als wohlwollender Zuschauer in einen Sinnzusammenhang bringt. Eine Kellnerin (Natalie Portman) spielt dabei ebenso eine Rolle wie die von Cate Blanchett dargestellte Partykönigin. Dazwischen tauchen sekundenweise Rockstars wie Iggy Pop oder die Red Hot Chili Peppers auf, Patti Smith fungiert dazwischen als eine Art griechischer One-Woman-Chor und gibt lebenskluge Ratschläge zum Besten.

Emmanuel Lubezki tänzelt mit seiner Digitalkamera um die Darsteller, gern auch in Schräglage, das Augenmerk auf Händen, die entweder Wände, Fenster oder weibliche Bäuche streicheln, den Ursprung allen Lebens. So sehr man sich an der Melancholie der Protagonisten eine Weile weiden kann, werden die über die Bilder gehauchten Selbsterfahrungsergüsse zunehmend lächerlich und erweisen sich als First-World-Problemchen. Die moderne Unterhaltungsindustrie mit ihren Mechanismen, hier exemplarisch festgemacht an der Musikszene Austins, wird als hohles, an der Oberfläche glitzerndes Universum dargestellt, in dem Menschen um Karriere, Ruhm und Geld buhlen. Doch insgeheim brauchen sie Zuneigung und Liebe und gehen trotz allen Trubels an ihrer Einsamkeit ein. Malick kann es freilich nicht dabei belassen. Er muss am Ende ein Gegenmodell etablieren, das ihn trotz aller inszenatorischen Innovation erneut als großen Konservativen und Kitschmeister des zeitgenössischen Kinos erweist. Da lassen die von Moderne und Kapitalismus gemarterten Protagonisten die kühl reflektierende Welt hinter sich und finden barfuß am Strand endlich wieder Bodenhaftung und Seelenfrieden.

Durchaus spannend ist aber, wie es mit Malick nun weitergeht. Zumindest seinem Inszenierungskonzept hat er offiziell vorerst abgeschworen. Malick will nun zurück zum klassischen Erzählkino, was immer das in seinem Fall heißt. Sein nächster, bereits in Babelsberg, Südtirol und Österreich abgedrehter Film über den selig gesprochenen Bauern Franz Jägerstätter (gespielt von August Diehl), der sich als frommer Katholik dem Naziregime verweigert hat und dafür 1943 hingerichtet wurde, soll sein erster linear aufgebauter Spielfilm seit zwölf Jahren sein.

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