Kritik zu Sag, dass du mich liebst

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Der deutsche Titel und die Besetzung der Hauptrolle mit Karin Viard lassen eine romantische Komödie erwarten, der Originaltitel, Parlez-moi de vous, eröffnet hingegen Raum für bittere Ironie. Das Regiedebüt von Pierre Pinaud aber ist fast ein Melodram

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Mélina hat eine Lösung gefunden für die langen Stunden des Abends, für jene sensible Zeitspanne, in der andere Leute ausgehen, die Liebe suchen oder auskosten. Sie bringt sie nicht in Einsamkeit zu, sondern hält Zwiesprache mit der Welt: Sie ist Moderatorin einer Radiosendung, in der Anrufer ihr Herz ausschütten können. Meist geht es um die Suche nach der Liebe und die Schwierigkeiten, sie auszukosten.

Genau genommen hat Claire (Karin Viard) diese Lösung gefunden, denn Mélina ist ein Pseudonym. Die beliebte Moderatorin hat sich vertraglich zusichern lassen, dass es nicht gelüftet wird. Mélina ist eine einfühlsame, verständige Treuhänderin der Sorgen und Hoffnungen ihrer Zuhörer. Claire hingegen hätte viele Gründe, sich in Mélinas Sendung Rat zu holen. Sie lebt allein, hat sich von der Welt abgeschottet. Ihre Wohnung teilt sie nur mit ihrem Hund. Zum Schlafen schließt sie sich in einem Wandschrank ein. Die einzige Entspannung, die sie sich gönnt, besteht darin, nach Feierabend von ihrem Balkon den Ausblick auf das nächtliche Paris zu genießen und eine Zigarette zu rauchen.

Eine romantische Komödie hätte aus diesem Widerspruch der Identitäten therapeutischen Elan geschöpft und Claire so unerbittlich zur Liebe bekehrt, dass sie Mélina nicht mehr braucht. Sag, dass du mich liebst spielt sacht mit dieser Möglichkeit. Aber die Liebe, die Claire sucht, ist keine romantische. Als Kind wurde sie von ihrer Mutter (Nadia Barentin) zur Adoption freigegeben und wuchs in einem Heim auf. Mit Hilfe einer Detektei hat sie nun den Namen ihrer Mutter erfahren; sie lebt in einem grauen Vorort. Mit einigem Einfallsreichtum verzögert das Drehbuch ihre Begegnung, lässt der unentschlossenen Claire erst einmal Zeit, das Umfeld der fremden Frau kennenzulernen. Es fügt sich, dass Claire zu einer Geburtstagsfeier ins Haus ihrer Mutter eingeladen wird. Ein junger Mann, Lucas (Nicolas Duvauchelle), interessiert sich für sie.

Claire bleibt ein Fremdkörper in dieser Welt. Es wäre auch eine soziale Differenz zu überwinden. Die Menschen, mit denen sie konfrontiert wird, sehen nicht so aus wie die Figuren, die man heutzutage in französischen Filmen sieht: Sie haben Übergewicht, kleiden sich nachlässig und rauchen wie die Schlote. Führt Claire ein richtigeres Leben? Zum ersten Mal kommt sie unmittelbar in Berührung mit Menschen, die ihre Sendung hören.

Regisseur Pierre Pinaud ist ebenso unschlüssig wie seine Heldin, welchen Ton er für sein Regiedebüt finden soll. Das überspielt er mit dem Nachdruck der inszenatorischen Gesten. Claire zeichnet er als ein Monstrum der Beherrschung, ihre Lebensweise gerät ihm zur klinischen (oder doch eher küchenpsychologischen) Metapher. Er glaubt, Lucas romantisch aufwerten zu müssen, indem er ihm ein Talent als Porträtfotograf unterstellt. Das Drehbuch muss eine lachhaft ungelenke Volte schlagen, damit der Film auf seine Katharsis zusteuern kann. Dass im Abspann zwei weiteren Cuttern gedankt wird, Joelle Hache und Hervé Schneid, mag ein Hinweis sein, wie schwer diese Mischung aus Komödie und Melodram in den Griff zu bekommen war.

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