Kritik zu Sábado: Das Hochzeitstape

Trailer © flax film

Ein preisgekröntes chilenisches Mockumentary

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Die Geschichte hat das Zeug zu einer echten Tragödie. Emotionen in Überfluss. Konflikte von höchster Intensität. Doch während das übliche Kinodrama aus der Exposition langsam dem Höhepunkt zusteuert, beginnt Sábado - Das Hochzeitstape gleich mit dem großen Knall. Was folgt, ist eine Folge kleiner Explosionen. Ein fortlaufender Prozess der Auflösung scheinbarer Sicherheiten, durchgespielt auf höchstem energetischen Niveau.

Antonia ist schwanger. Doch der Erzeuger will vom Produkt seines Treibens nichts wissen. Und: Er will in ein paar Stunden heiraten. In ihrer Erregung läuft Antonia los, um wenigstens die Braut vor dem Filou zu warnen. Die erwartet daheim schon im weißen Brautkleid das große Ereignis, als Antonia ihr eröffnet, dass der Bräutigam nicht nur die letzte Nacht mit ihr verbracht hat, sondern schon viele andere in den Monaten zuvor. Nach einer kleinen Schockpause rennt auch Blanca los, um den untreuen Bräutigam zur Rede zu stellen.

Die Hochzeit ist erstmal geplatzt. Und im Kino entfaltet sich eine komödiantische Kettenreaktion, die erst nach einer Videokassettenlänge endet. Denn das ist der Witz von Sabado, Antonia kommt nicht allein. Im Schlepptau hat sie ihren Nachbarn Gabriel, den sie gebeten hat, die laufenden Ereignisse zur Beweissicherung auf Kamera zu dokumentieren. Gabriel will später Filmemacher werden und nimmt die gestellte Aufgabe professionell als Kameraübung an. Als Antonias Auftrag erledigt ist, wird er in gleicher Funktion von Braut Blanca übernommen. In der Zwischenzeit: dramatische Aussprachen, lange Autofahrten durch die bürgerlichen Vororte von Santiago. Und dazwischen immer wieder kleine ironische Seitengeplänkel mit dem Filmemacher auf dem Rücksitz.

65 Minuten nonstop: Auch für einen professionellen Kameramann ist das keine geringe Leistung. Zuletzt hat Sokurov in Russian Ark den Gewaltakt versucht. Hier ist der Anspruch zurückgeschraubt, das Ergebnis umso besser. Denn, das ist der zweite Witz von Sábado - Das Hochzeitstape: Filmkameramann Gabriel Díaz ist identisch mit Hochzeitsfilmer Gabriel. Auch Díaz drehte Sabado in digitaler Video-Echtzeit. Sein Film ist 65 Minuten lang: Es sind Gabriels Aufnahmen, die wir auf der Leinwand sehen.

Ein so genanntes Mockumentary also. Oder doch ein besonders raffiniert angelegter Spielfilm. Denn Sábado ist ebenso deckungsgleich mit dem, was er erzählt, wie meilenweit davon entfernt. Auch die Darstellerinnen agieren zwar unter ihrem wirklichen Namen. Doch sie sind Profis, ihrer Filmographie nach populäre TV-Seriendarstellerinnen in Chile. Und der Plot ist in seinen Grundzügen wohl genau aus jenen Serien zusammengeklaubt, in denen Antonia und Blanca sonst agieren. Der Rest ist Improvisation. Die ist ja auch bei uns derzeit bei jungen Filmemachern groß in Mode und kann sich für den Zuschauer durchaus zu einem qualvoll langweiligen Experiment entwickeln. Hier funktioniert es vorzüglich, wohl weil die Vorgaben der Handlung so klar sind wie ihre Umsetzung perfekt. Denn nicht nur die Darsteller sind echte Profis. Auch alle anderen Elemente sind nicht nur stimmig und konsequent konzipiert, sondern auch mit sichtbarer Lust und handwerklichem Können ausgearbeitet: Da muss dann auch die Handkamera ein bisschen wackeln.

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