Kritik zu The Raid 2

© Studiocanal

Gareth Evans beschreitet mit dem Sequel zu seinem Überraschungserfolg neue Wege. Statt erneut auf ein klares und gradliniges Martial-Arts-Spektakel zu setzen, wagt er sich an ein extrem komplexes Gangster-Epos

Bewertung: 4
Leserbewertung
3.5
3.5 (Stimmen: 2)

Die Ruhe vor dem Sturm: Eine junge Frau in einem vollen U-Bahn-Waggon. Ein Mann mit einem Baseballschläger, der gemessen, aber zielstrebig eine Straße entlanggeht. Ein Bambusfeld, die langen grünen Blätter wiegen sich im Wind hin und her. Wieder und wieder schneidet der Film zwischen diesen drei Szenerien und Situationen hin und her. Wenig geschieht. Irgendwann kommt der Mann mit dem Baseballschläger an seinem Ziel an, einem großen Lagerhaus, vor dem zwei Wachen stehen. Die junge Frau nimmt aus ihrer Tasche zwei Zimmermannshämmer, steht auf und geht durch den Waggon. Unvermittelt spritzt Blut auf eins der Bambusblätter.

So beginnt eine der großen, ungeheuer heftigen Entladungen, auf die Gareth Evans’ Sequel zu The Raid (2011) immer wieder zusteuert. Die Momente vor der Explosion dehnen sich, schaffen ein Gefühl für das Gewicht des Kommenden. Natürlich ästhetisiert Evans die Gewalt in diesen Szenen in extremster Form. Er verwandelt sie in Bewegungskunst, in atemberaubende Choreografien aus Hieben und Tritten, Schlägen und Stichen. Aber er potenziert auch den Schmerz und die Zerstörung. Jeder Tropfen Blut, der durch die Luft fliegt, jeder Knochen, der mit einem lauten Knacken bricht und splittert, zeugt von dem Wahnsinn einer gänzlich aus den Fugen geratenen Welt.

The Raid 2 schließt direkt an seinen Vorgänger an und könnte sich doch kaum mehr von ihm unterscheiden. Der erste Teil, in dem sich der junge Polizist und Familienvater Rama durch ein Haus voller Gangster kämpfen musste, war eine Studie in Reduktion. Das Sequel geht nun den entgegengesetzten Weg.

Um Rache für den Mord an seinem Bruder zu nehmen, geht Rama undercover für zwei Jahre ins Gefängnis. Nur so kann er an Uco, den Sohn eines der mächtigsten Mafiabosse von Jakarta, herankommen. Im Gefängnis rettet er dem ungeduldigen Gangstersohn das Leben und verschafft sich damit die Eintrittskarte in Banguns Syndikat. Zwei Jahre später ist es dann so weit. Nur hat Bangun große Teile seiner Macht längst verloren, und Uco kann es gar nicht erwarten, endlich die Leitung zu übernehmen.

Evans’ bedient sich klassischer Motive und Konstellationen des amerikanischen Gangsterfilms wie des Hongkong-Kinos, um ein alles umspannendes Geflecht von Lügen und Loyalitäten zu flechten. Alles dreht sich um familiäre Beziehungen und Verpflichtungen: Väter, die Söhne verlassen, Söhne, die Väter verraten, Geschwister, die füreinander töten und sterben. Ein Fluch scheint auf den Menschen zu liegen, wie einst in den großen antiken Erzählungen und Tragödien. Deren archaische Wucht geht auch von Evans’ blutiger Vision einer Welt der Verdammten aus, und wie die antiken Dichter glaubt auch er an die reinigende Kraft des Entsetzens. So folgt dem alles andere als heroischen Blutvergießen ein Moment reinster Katharsis.

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