Kritik zu Once Again – Eine Liebe in Mumbai

© Arsenal Filmverleih

Voller Poesie und Sinnlichkeit erzählt Kanwal Sethi von einer späten Liebe im ­modernen Mumbai – und spielt dabei subtil mit klassischen Bollywoodelementen

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Mumbai ist groß, laut, immer in Bewegung, dreckig. Fast schlafwandlerisch bewegen sich in dieser Megacity Tara und Amar. Tara (Shefali Shah) ist seit vielen Jahren verwitwet, Mutter zweier erwachsener Kinder, sie betreibt ein kleines Restaurant – unabhängig, selbstbewusst und voller Liebe für ihre Kinder und das Kochen. Einsam ist sie trotzdem. Amar (Neeraaj Kabi) ist ein erfolgreicher Filmstar, ganz Indien kennt ihn. Von seiner Frau lebt er getrennt, seine erwachsene Tochter sucht noch ihren Platz im Leben, er selbst lebt völlig zurückgezogen. Einsam ist auch er.

Täglich lässt Amar sich mit Essen von Tara beliefern – seit einem Jahr. Gesehen haben sich die beiden noch nie. Das abendliche Telefonat aber ist zu einem Ritual geworden; es gibt ihnen Geborgenheit. Stunden verbringen sie am Telefon, werden zu Vertrauten, doch Mut für ein Treffen haben sie lange nicht. Zu groß ist die Angst, sich auf einen anderen Menschen einzulassen. Irgendwann wagen sie es doch.

Der in Indien geborene und in Dresden lebende Regisseur Kanwal Sethi, der mit »Fernes Land« 2012 sein Kinodebüt feierte, begleitet diese beiden Menschen durch Mumbai. Sein Film beobachtet Tara beim Kochen, wie sie Gewürze und Gemüse in zischendes Fett wirft, rührt, stampft, das metallene Essensgefäß in eine bunte, wärmende Stofftasche steckt – jeden Tag von Neuem. Die Kamera verharrt oft lange auf ihren schönen, feingliedrigen Händen. Und sie begleitet Amar bei seinen nächtlichen Autotouren, den Proben zu seinem aktuellen Tanzfilm, die Kamera fängt seine anmutigen und doch so kraftvollen Bewegungen ein – und immer wieder die Gesichter der beiden (wunderschönen) Protagonisten.

Darüber legt Sethi klassische indische Musik. Raga, die melodische Grundlage dieser Musik, bedeutet Farbe, Stimmung, Gefühl. Durch die Darstellung eines einzelnen musikalischen Gedankens in all seinen Aspekten, so hat es Sethi einmal erklärt, will diese Musik in den Zuhörern einen besonderen Gefühlszustand auslösen. Der Geist des Zuhörers soll eingefärbt werden. Genau das gelingt dem Regisseur grandios. Die Hektik, der Lärm der Stadt bleiben im Leben von ­Tara und Amar stets ausgesperrt. Das ist voller Poesie und Sinnlichkeit und lässt zugleich die Einsamkeit spüren.

Einfühlsam erzählt Sethi von einem modernen Indien, in dem die Frau selbstständig und selbstbewusst und doch Traditionen verhaftet sein kann. Mit ihrem Sohn kämpft Tara um einen Kredit für die Renovierung ihres Restaurants, den ihr als Frau die Bank aber nicht geben will. Als die Beziehung zum Filmstar bekannt wird, wird Tara von der eigenen Familie ausgegrenzt.

Sethi zeigt in seinem Film ein anderes Mumbai als das, das man aus den Bollywoodfilmen kennt – und spielt doch immer wieder darauf an. »Once Again« ist eine ungewöhnliche, wunderschöne Liebes- und Großstadtgeschichte, die in der deutschen Synchronisation leider etwas den magischen Charme verliert, den das Original, Hindi mit englischen Wortfetzen, so wirkungsvoll ­heraufbeschwört.

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