Kritik zu Ohne Limit

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Was passiert mit einem, wenn man statt der üblichen 20 auf einmal 100 Prozent seines Gehirnes nutzen kann? In Neil Burgers (»The Illusionist«) neuem Thriller darf ein antriebsgestörter Schriftsteller eine Geheimdroge erproben, was natürlich Folgen hat

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Von ganz oben schaut Eddie Morra (Bradley Cooper) in die Tiefe der Straßenschluchten von New York, er schaut auf den Mann, der er noch vor wenigen Wochen selber war, mit zerfransten Haaren, schlabbrigen Klamotten, lascher Haltung, unrasiertem Gesicht und schlaffen Zügen: »Was für ein Typ würde so rumlaufen, wenn er nicht drogensüchtig und obdachlos ist?« Der Unterschied zwischen damals und heute, zwischen dem smarten Mann in weißem, maßgeschneidertem Hemd und Designerwohnung und dem antriebsschwachen Möchtegernschriftsteller im heruntergekommenen Einzimmerapartment, ist eine kleine, durchsichtige Pille, eine Designerdroge mit dem Namen NZT, die dafür sorgt, dass man nicht nur 20, sondern 100 Prozent der Gehirnkapazität nutzt: »Ich wusste, was zu tun war und wie ich es tun musste.« So einfach ist das.

Schon in »The Illusionist« spielte Regisseur Neil Burger mit den Tücken der Wahrnehmung und den Möglichkeiten, sie zu überlisten. Im Gegensatz zu dem kühl kalkulierten Spiel des Manipulationsmagiers ist das neue Werk jedoch ein vibrierender Fiebertraum, ein rasanter Drogentrip, bei dem es nicht um die Auflösung, sondern um die Schärfe der Wahrnehmung geht. Nach einem Drehbuch von Leslie Dixon, die schon in ihren Vorlagen zu »Freaky Friday« und »Mrs Doubtfire« mit den Grundvoraussetzungen des Lebens jonglierte, nimmt der Film eine der Grundideen von »Matrix« auf, der zufolge der menschliche Körper durch Konzentration und Willensstärke ungeahnte Kapazitäten mobilisiert.

So wie Eddie Morra sich aus dem gesamten Lebensschatz seiner Erfahrungen und Eindrücke bedient, nutzen auch Burger und sein Kameramann Jo Willems alle Möglichkeiten von Filmmaterial und Filmtechnik, um Bewusstseinszustände zu vermitteln und Geschwindigkeit zu erzeugen. Die Art, wie hier Gedanken und Schlussfolgerungen durch Schnitte und Fahrten verbunden werden, erinnert an Guy Ritchies »Sherlock Holmes«. Wenn sich die Kamera am Anfang von der Dachterrasse der Designerwohnung in die Tiefe der Stadt stürzt, und sich dort in einer rasenden Fahrt durch fahrende Autos, Baugerüste, Passagen und Läden mitten hinein in Gehirnwindungen und Gedankengänge schraubt, dann entwickelt der Film einen enormen Sog. Als Zuschauer wird man mitgerissen auf eine Achterbahnfahrt über die Straßen der Stadt in die Datenautobahnen des Gehirns.

Dass dieser Rausch nicht in den Oberflächenreizen einer Jahrmarktsattraktion verpufft, ist nicht zuletzt Bradley Cooper zu verdanken, der diesen Eddie Morra zwischen den Extremen von jungem Loser zu smartem Mastermind aufspannt. Nachdem er als bester Freund von Jennifer Garner in J.J.-Abrams Actionfernsehserie »Alias« aufgefallen ist, dann in den Ensembles von »Hangover« und »A-Team« sprühende Lebenslust und jede Menge komödiantischen Charme verströmte, darf er jetzt zeigen, dass er auch düstere, getriebenere Facetten hat, dass er mühelos einen ganzen Film tragen kann, und sogar Robert De Niros respekteinflößender Präsenz Paroli bieten kann.

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