Kritik zu Neukölln unlimited

© GMfilms

2010
Original-Titel: 
Neukölln unlimited
Filmstart in Deutschland: 
08.04.2010
L: 
99 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Die Dokumentarfilmer Agostino Imondi und Dietmar Ratsch begleiten die vor 16 Jahren aus dem Libanon geflohene Familie Akkouch beim Kampf um Anerkennung und gegen Abschiebung

Bewertung: 3
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Die Erfolgschancen für Dokumentarfilme an der Kinokasse sind überproportional gestiegen, spätestens seit Michael Moore das Genre populär gemacht hat. Die Themen variieren zwischen der Aufdeckung politischer Skandale oder Tierdokumentationen und reichen bis hin zur Abbildung des wirklichen Lebens. Das kann manchmal langweilig sein, ist aber im Fall von »Neukölln unlimited« äußerst spannend, denn das, was für die libanesische Familie Akkouch Normalität bedeutet, erscheint dem Zuschauer als Ansammlung dramatischer Ereignisse. Es ist das Drama der Asylsuchenden in Deutschland. In Zeiten der medialen Unverbindlichkeiten und Möglichkeiten zweiter Leben im Cyberspace steht auf der anderen Seite der Wunsch nach wahren Geschichten, echten Gefühlen und Tatsachen aus dem realen Leben. Dass die Dokumentation dieser Sehnsucht nach Authentizität entgegenkommt, belegt auch der erste Preis, den sie auf der Berlinale bei Generation 14plus gewonnen hat.

Die Chance, sich mittels Musik und Tanz ein neues Lebensgefühl zu erkämpfen, zeigte schon »Rhythm is it« – mit enormem Erfolg beim jungen Publikum. So vereint auch »Neukölln unlimited« zwei Aspekte auf ähnlich virtuose Weise. Der Film erzählt einerseits von einer Familie in Berlins Brennpunktviertel. Ein Jahr lang hat das Filmteam die zwei erwachsenen Kinder Lial und Hassan, den vierzehnjährigen Maradona und deren Mutter mit Baby dabei begleitet, wie sie sich um ihr Aufenthaltsrecht bemühen. Und auf der anderen Seite haben alle drei großen Kinder in der ein oder anderen Form Karriere als Hip-Hop-Musiker und Breakdance-Tänzer gemacht. Das ist kein Zufall, sondern der Tatsache geschuldet, dass sich Jugendliche in den musischen Künsten am besten ausdrücken können und damit zunächst Anerkennung bei ihren Freunden finden, möglicherweise aber auch über ihren engsten Kreis hinaus Erfolg haben. Sie können in wütenden Pamphleten ihren Hass in die Welt hinausschreien und sich durch expressiven Tanz abreagieren. Und sie kennen gar keine andere Möglichkeit am sozialen Erfolg teilzuhaben, denn in Deutschland ist der Bildungsweg für ausländische Jugendliche einer der schwersten. Dagegen scheinen die Idole aus dem Fernsehen erreichbar und nachahmenswert. Maradona versucht es gar bei »Deutschland sucht den Superstar«, denn die Castingshows gaukeln den Kindern vor, dass jeder zum Star werden kann.

Seit 16 Jahren sind die Akkouchs nun hier, bestens integriert, aber immer noch nur geduldet. Wir begleiten Lial und Hassan bei den Behördengängen und hören ihnen zu, wenn sie von ihrer ersten Abschiebung vor vier Jahren berichten: In verfremdetem Comicstil sind die Erinnerungen sichtbar gemacht, auch das eine Anleihe an die Jugendkultur des Graffitis. Nie werden diese Bezüge peinlich oder wirken gewollt anbiedernd. Trotz der Tragik ihrer Lebensumstände lassen sich die Jugendlichen nicht unterkriegen – im Gegenteil, alle drei sind starke Persönlichkeiten, die ihr Leben mit Energie vorantreiben. Ihre Geschichte macht Mut und geht hoffentlich gut aus.

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