Kritik zu MansFeld

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2013
Original-Titel: 
MansFeld
Filmstart in Deutschland: 
16.05.2013
V: 
L: 
98 Min
FSK: 
6

Der dritte Teil von Mario Schneiders Trilogie über das Mansfelder Land im Harz widmet sich dem »Dreckschweinfest«, bei dem Kindern eine besondere Rolle zukommt

Bewertung: 4
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Es gibt einen schönen Schnitt gegen Ende von Mario Schneiders Dokumentarfilm MansFeld. Gerade ist der Pfingstritus abgefilmt, das »Dreckschweinfest«, bei dem die Bewohner der Ortschaften Ahlsdorf und Hergisdorf die Vertreibung des Winters als performativen Karnelvalszug feiern wie seit 1000 Jahren und bei dem den bunt geschmückten Kindern die Aufgabe zukommt, mit der Peitsche zu knallen. Dieses Peitschenknallen wird geübt, es erfordert Kraft und setzt Beweglichkeit voraus, man muss sich hin und her drehen im Schwung der Peitsche. Von diesem Hinund-her-Drehen der Kinder schneidet der Film auf einen Bagger hoch droben auf dem Tagebau, der sich, wenn auch langsamer und eckiger, hin und her dreht – was sehr gut zeigt, wie eng Kultur und Natur hier zusammenhängen, im Lebensraum von MansFeld.

Mario Schneider hat zum dritten Mal in diesem Hier gearbeitet, im Mansfelder Land, nach Helbra (2004) und Heinz und Fred (2007). Der Pfingstritus bildet den Höhepunkt des Films, den Schneider mit Aufwand fotografiert hat (drei Kameras: Florian Kirchler, er selbst und Peter Badel, der auch mit Thomas Plenert die Second-Unit-Aufnahmen der Landschaft besorgt hat) – und den er fast so fasziniert verfolgt, dass man sich in einem Feature des Regionalfernsehens wähnen könnte. Außerdem zeigt MansFeld beeindruckendes Archivmaterial über den Ritus aus der Stummfilmzeit.

Konsequenterweise führen in diesen Höhepunkt die Geschichten dreier Jungen, die sich zum ersten Mal beweisen müssen beim »Dreckschweinfest«. Paul, Sebastian und Tom sind unterschiedliche Charaktere, und isoliert betrachtet mag man sich dabei ertappen, ihre Perspektiven auf ein gelingendes Leben gegeneinander zu verrechnen. Also etwa den Fehler zu machen, die eloquente Wohlerzogenheit von Tom gegen die Schwierigkeit von Pauls Eltern auszuspielen, Gefühle zu zeigen und hilfreich zu sein. Tom wächst bei der Mutter und ihrer Freundin auf, macht morgens das Frühstück und liest aus der Zeitung vor. Paul kriegt fettes Essen, schlechtere Noten und einfachere Erklärungen: Wenn er den Vater etwas fragt, fühlt der sich zumeist gestört.

Mario Schneider aber geht es nicht um Hierarchisierung. Er ist nur verliebt in seine Protagonisten, so wie er sich am »Dreckschweinfest « nicht sattfilmen kann. Schneider feiert die kindliche Weltwahrnehmung, das Übermütige und Versponnene der Jungen, auch das Körperliche.

Auf den zweiten Blick ist »MansFeld« damit aber ein Film, dessen Sich-nicht-trennen- Können von den Kindern gerade eine ungewöhnliche Geschichte über deutsche Gegenwart erzählt. Wo sich eine bürgerliche Schicht angewöhnt hat, Bildung nur mehr als Horrorszenario wahrzunehmen, erst recht in strukturschwachen Regionen wie dem Mansfelder Land, beruhigt Schneider mit fast altmodischer Normalität. Die Kinder sind verschieden, Tom interessiert sich für computergestützteAbläufe in Fabriken, während Paul begeistert dem Schlachten zuschaut. Der Ingenieur und der Fleischer werden beide gebraucht – in einer Gemeinschaft, die sich ihrer Zusammengehörigkeit in jahrhundertealten Traditionen versichert.

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