Kritik zu Madame Bovary

© Warner Bros.

Die amerikanisch-französische Regisseurin Sophie Barthes versucht, der legendären Romanvorlage von Flaubert gerecht zu werden – und wartet mit schönen Bildern und einer überzeugenden Hauptdarstellerin auf

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Gustave Flauberts Geschichte der unglücklichen »Madame Bovary« dürfte zu einem der bekanntesten Romane der Weltliteratur gehören. Auch das Kino hat sich ihrer immer wieder angenommen; Die Verfilmungen reichen von Vincente Minellis Adaption von 1949 über die Chabrol-Version mit Isabelle Huppert bis hin zum letztjährigen »Ein Sommer mit Flaubert«, dem die von Bovary inspirierte Graphic Novel »Gemma Bovery« zugrunde lag. Bislang konnte noch keine dieser cineastischen Annäherungen an den Klassiker die Literaturfans überzeugen, und auch der nun über ein Jahr nach seiner Telluride-Premiere bei uns anlaufende Film von Sophie Barthes stellt diesbezüglich nicht unbedingt eine Ausnahme dar.

Zum hinlänglich vertrauten Plot an dieser Stelle nur das Nötigste. Die junge Emma (Mia Wasikowska) wird im 19. Jahrhundert mit dem Landarzt Charles Bovary (Henry Lloyd-Hughes) verheiratet, doch statt nach einer Klosterjugend das große Glück und die Freiheit zu finden, fühlt sie sich bald aufs Neue gefangen. Vom lieblosen Ehealltag und der Langeweile der Provinz lenkt sie sich zunächst mit Luxuseinkäufen bei Monsieur Lheureux (Rhys Ifans) ab. Bald erwachen allerdings auch andere Sehnsüchte in ihr, und so lässt sich die hübsche, von den Männern umschwärmte Emma schließlich auf Affären ein, zunächst mit dem Marquis d'Andervilliers (Logan Marshall-Green) und dann mit dem Kanzlisten Leon (Ezra Miller).

Die Kürzungen, die Barthes und Koautor Felipe Marino dabei gegenüber der Vorlage vorgenommen haben, sind nicht unerheblich; so bleibt die Protagonistin in diesem Fall zum Beispiel kinderlos. Doch die Struktur von Flauberts Geschichte lässt Barthes weitgehend unangetastet – und auch das tragische Ende ist natürlich unausweichlich. Vollkommen wird die in Frankreich geborene Wahlamerikanerin Barthes, deren Langfilmdebüt »Cold Souls« inzwischen sechs Jahre her ist, der Komplexität und Tiefe des Romans in knapp zwei Stunden trotz allem nicht gerecht. Und dass sie weder visuell (wie etwa Joe Wright bei »Anna Karenina«) noch thematisch und inszenatorisch (wie im Falle von Andrea Arnolds »Wuthering Heights«) der Geschichte über die Kostümfilmkonventionen hinaus etwas abzuringen vermag, verstärkt den Eindruck der nicht vollends ausgereizten Möglichkeiten.

Was nicht heißt, dass Barthes' »Madame Bovary« nicht sehenswerte Qualitäten aufweist. Flauberts detailreichen Realismus etwa fängt Kamera- und Ehemann Andrij Parekh in bisweilen betörenden, farblich sorgsam komponierten Bildern ein. Vor allem aber beweist Hauptdarstellerin Wasikowska einmal mehr, dass sie zu den nuanciertesten und dennoch regelmäßig unterschätzten Schauspielerinnen ihrer Generation gehört. Wie schon kürzlich in »Crimson Peak« bringt sie auch hier eindrücklich den Konflikt zwischen romantischen Konventionen und dem Aufbegehren gegen ein fremdbestimmtes Schicksal zur Darstellung und schafft es dabei, erstaunliche Empathie zu wecken für eine tragische Frauenfigur, die in ihrer impulsiv-egoistischen Gier gemeinhin kaum als Sympathieträgerin dient.

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