Kritik zu Late Bloomers

© Movienet

Best Ager in der Reifeprüfung: Isabella Rossellini und William Hurt spielen in Julie Gavras’ Tragikomödie ein Ehepaar, das sich über unterschiedliche Altersvorstellungen entzweit

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Das Leben von Adam (William Hurt) und Mary (Isabella Rossellini) ist wohlgeordnet. Gerade hat der Londoner Architekt einen Preis für sein Lebenswerk erhalten. Anstatt sich zu freuen, wird der temperamentvollen Mary plötzlich bewusst, dass die Medaille auch ein Abschiedsgeschenk ist. Das seit 30 Jahren verheiratete Paar gehört nach ihrer Meinung nun definitiv zum alten Eisen. Als sich Mary nach einer kleinen Gedächtnisschwäche gründlich vom Arzt durchchecken lässt, ist zwar alles im grünen Bereich. Dennoch beschließt sie, ihr Leben auf den Seniorenmodus umzustellen. Adam dagegen, der für seine Firma Altersheime entwerfen soll, will sich noch einmal neu beweisen. Zusammen mit jungen Kollegen beteiligt er sich an einem hochkarätigen Wettbewerb und schiebt Überstunden. Die konträren Auffassungen führen zu einer offenen Ehekrise.

Um was geht’s eigentlich, fragt man sich auch bei dieser Best-Ager-Komödie. Wie oft in diesem Genre werden Senioren präsentiert, die sich in einer paradiesischen Situation befinden. Weder die Finanzen noch die wohlgeratenen Kinder verursachen Stress. Auch die Libido stellt, anders als in der aktuellen USSeniorenkomödie Wie beim ersten Mal, für das rege Paar kein Problem dar. Es geht in diesem frühherbstlichen Arkadien also nicht um existenzielle Sorgen. Folglich muss Regisseurin Julie Gavras die Sinnkrise oder, um es gemein zu sagen, die Luxusprobleme ihrer Protagonisten ziemlich dramatisieren.

In hübsch grotesken Episoden versucht es Mary etwa mit Fitnesstraining im Schwimmbad, bei dem sie bunte Gummiwürste schwenken muss, um »chicken wings«-Oberarme zu straffen. Oder sie lässt Haltegriffe im Bad einbauen, die ihr Mann, so gut es mit seinen al-terssichtigen Augen eben geht, zu vermeiden versucht. Eines Tages wandert eine fröhliche Truppe »Grauer Panther« an de verblüfften Adam vorbei ins Wohnzimmer. Die Gags wirken oft forciert, zumal William Hurt und Isabella Rossellini zwar nicht taufrisch aussehen, aber gut im Strumpf stehen. Die inszenatorische Ratlosigkeit wird durch den aufgekratzten Balkanpop im Soundtrack noch untermalt.

William Hurt als Architekt, der mit den Youngstern auch optisch mit einer neuen Lederjacke mitzuhalten versucht, ist in seiner wortkargen Schaffenswut glaubwürdiger als Isabella Rossellini als aktionistische Gattin. Natürlich stellt die oft als schönste Frau der Welt bezeichnete Lebenskünstlerin das Zentrum dieser Tragikomödie dar. Tatsächlich nimmt man ihr die Rolle der Exlehrerin und märtyrerhaften Familienglucke nicht ab; Marys Antizipieren kommender Gebrechen wirkt sogar recht hysterisch. Doch die 60-Jährige war in ihren Filmen stets ein aparter Hingucker jenseits von Storyerfordernissen. Auch Gavras erfindet für Mary eine passende Backstory und umgibt sie komplizenhaft mit quirliger Italianità. Ein Seitensprung ist auch drin. So verfehlen Rossellinis Eleganz und sinnliche Ausstrahlung, die durch die koboldhafte Koketterie mit ihrem Image gebrochen wird, auch diesmal nicht ihre Wirkung. Tiefgang darf man von dieser launigen One-Woman-Show aber nicht erwarten.

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