Kritik zu Joy – Alles außer gewöhnlich

© 20th Century Fox

David O. Russell schildert in seiner dritten Zusammenarbeit mit Jennifer Lawrence und Bradley Cooper die Lebensgeschichte der Wischmop-Erfinderin Joy Mangano und blickt dabei hinter die Kulissen des Teleshoppings

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Ein Wischmop? Dieses gesichtslose Produkt industrieller Massenfertigung zählt eigentlich zu den belanglosesten Gegenständen, die man sich vorstellen kann. Doch in diesem Biopic erscheint der banale Feudel in einer erfrischend neuen Perspektive. David O. Russell erzählt die autobiographische Geschichte der Italoamerikanerin Joy Mangano (Jennifer Lawrence), die keinen guten Start hatte. Nach dem Scheitern ihrer Ehe schlägt sie sich als allein erziehende Mutter durch. Da ihr Ex (Édgar Ramirez), ein verkrachter Latino-Sänger, sich keine eigene Wohnung leisten kann, lebt er im Keller ihres maroden Hauses, das mit einer fetten Hypothek belastet ist. Und ihre Mutter schaut den ganzen Tag TV-Soaps.

Aus dieser trostlosen Situation gibt es offenbar kein Entrinnen. Doch als Joy sich beim Aufwischen zerbrochener Weingläser an den Scherben die Hände aufschneidet, hat sie eine Inspiration, die ihr Leben verändert. Eigentlich ist das die klischeehafte Geschichte des Aufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär. Doch mit seinem neuen Film taucht David O. Russell in diese Ballung von white trash und Niveaulosigkeit ein wie ein Putzlappen ins Schmutzwasser. Liebevolle Detailbetrachtungen zeigen, wie diese Selfmade-Frau einen neuartigen Wischmop austüftelt, seine Produktion ankurbelt und sich gegen heimtückische Betrüger durchsetzt.

Der Kampf, dem Jennifer Lawrence sich in der Titelrolle stellt, steht dem Survival-Parcours, den sie in »Die Tribute von Panem« absolviert, in nichts nach. Als besonders harte Nuss erweist sich das Marketing. Ihre Erfindung ist genial – aber wie soll man das den Kunden vermitteln? Durch den überraschenden Kontakt zu einer Fernsehstation, die in den 90ern gerade den Betrieb aufnahm, ist die Erfinderin plötzlich zur rechten Zeit am rechten Ort. Ein aufschlussreicher Blick hinter die Kulissen des Kabelsenders QVC macht die vermeintlich monotonen Rituale des Teleshoppings lesbar.

Als Joy hier vor die Kamera tritt, avanciert sie mit ihrer unprätentiösen Gestik zur Heldin des Alltags. Millionen Zuschauerinnen erkennen sich wieder in dieser patenten Frau, die sich den mühsamen Haushalt mit praktischen Geräten erleichtern will. Ein fluoreszierendes Halsband, mit dem man den Hund im Dunkeln wieder findet? Kleiderbügel, die man platzsparend ineinander hängen kann? Diese Micro-Utopien nimmt Russell in seinem Film ernst. Ein Alltagsgegenstand wie der Wischmop bekommt dadurch gewissermaßen seine Aura zurück. Er wird zu einem Kunstwerk im Sinne Andy Warhols.

So wie Joy ihren Mop, so preist der mit Robert De Niro und Isabella Rossellini auch in den Nebenrollen gut besetzte Film die Erfolgsstory der unkonventionellen Erfinderin an. Dabei beobachtet Russell nicht distanziert, er trägt dick auf wie jene Seifenopern, die er ironisiert – und zugleich ernst nimmt. Ein zweistündiger Ausflug in eine Welt, die man so im amerikanischen Film nur selten sieht.

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