Kritik zu Home for Christmas

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Nach Filmen wie »Kitchen Stories«, »Faktotum« und »O'Horten« war der Norweger Bent Hamer nicht unbedingt der erste Regisseur, von dem man einen Weihnachtsfilm erwartet hätte

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Natürlich ist der Reigen von Geschichten, die bei Bent Hamer eher zufällig an Weihnachten kulminieren, dann auch um einiges düsterer und melancholischer als in dem Genre sonst üblich. Auf weihnachtliche Abwege wurde er von einer in Deutschland nicht veröffentlichten Kurzgeschichtensammlung geleitet. Gewiss, das weihnachtliche Setting lässt den Gefühlspegel weiter ausschlagen, dennoch sind die Geschichten universell genug, um auch ohne diesen Hintergrund zu funktionieren: »Die Probleme dieser Menschen sind am 1. Januar nicht verschwunden«, sagt Hamer. So bleibt er also auch am Weihnachtsfest den traurigen und ein wenig wunderlichen Helden treu, die sonst seine Filme bevölkern, allesamt Menschen, die auf die eine oder andere Weise am Abgrund stehen, wobei er die düstere Grundstimmung mit lakonischem Humor abfedert, und mit jenem Gespür für die skurrilen Absurditäten des Lebens, wie sie typisch sind, insbesondere für den Norden Skandinaviens, für Finnland und Norwegen.

Zunächst aber die Rahmenhandlung im von Kriegsspuren gezeichneten Kosovo: Hier läuft ein kleiner Junge durch die winterlich unwirtliche Trümmerlandschaft, um für seine Mutter und seine Schwester einen Weihnachtsbaum zu organisieren. Aus der Ferne zielt ein Scharfschütze durch den Fadenkreis auf ihn, doch mit dem erschütternden Knall wird nicht das Kind zu Fall gebracht, stattdessen wechselt der Schauplatz, und ein schweres Räumfahrzeug pflügt sich durch die Winterlandschaft einer kleinen norwegischen Stadt. Die Straßen, Häuser und Gärten sind verschneit, aber nicht mit dem Zuckergussschnee, der sonst in Weihnachtsfilmen zum Einsatz kommt. Hier geht es nicht ums Winterwonderland, sondern um die ganz realen Bedingungen des Lebens in unwirtlicher Kälte und ungemütlicher Dunkelheit. Wie überall wollen auch hier alle noch schnell zu Weihnachten nach Hause, home, das kann der Ehemann sein, der Nachtdienst hat, oder ein Mann, der zu feige ist, seine Frau für die Geliebte zu verlassen. Es kann das Haus der Schwester sein, das eine kleine heilige Flüchtlingsfamilie nicht erreicht, weil das Auto liegen bleibt, es können die Eltern sein, bei denen ein verwahrloster Alkoholiker nicht ankommt, weil er als Schwarzfahrer aus dem Zug geworfen wird, oder auch die Kinder, die dem Vater ausgerechnet an Weihnachten vorenthalten werden von der Mutter, die andere Pläne mit einem neuen Mann hat. Sie alle kämpfen, mal zäh, mal resigniert, mal beherzt, mal durchtrieben gegen die Widerstände an.

Statt die Geschichten nacheinander abzuspulen, lässt Bent Hamer sie weich und fließend ineinander übergehen, in den Ellipsen der einen wird die Handlung der nächsten weitergeschrieben. Man spürt, dass der Autor und Regisseur ihnen ganz nah ist in ihrer Not, dass er ein Herz hat für die Kämpfe des kleinen Mannes, für all die Verlierer, deren Einsamkeit und Verlorenheit an Weihnachten noch ein bisschen größer ist als sonst. Das Weihnachtsfest hat ihn ein wenig gefühlvoller gemacht, aber keinesfalls sentimental.

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