Kritik zu Holy Cow

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Gelassen und aufmerksam erzählt Imam Hasanovs Dokumentarfilm von einem aserbaidschanischen Dorfbewohner, der eine Kuh kaufen will – und auf erstaunliche Vorbehalte stößt

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Das Dorf ist entlegen, die Behausung ärmlich und der Handyempfang so miserabel, dass Tapdiq einen Hügel erklimmen muss, um sich über europäische Milchkühe beraten zu lassen. Tapdiq hat einen Traum: Er spart auf eine Kuh, die viel mehr Milch gibt als die einheimischen und seiner Familie ein besseres Leben ermöglichen soll. Das Poster eines schwarz-weiß-gescheckten Prachtexemplars vor sattgrünen Weiden prangt schon als Sinnbild dieses Traums an der Wand des Hauses, in dem er mit seiner Frau und drei kleinen Söhnen wohnt. Die Reaktion der Dorfbevölkerung ist allerdings mehr als skeptisch. Vor allem eine Art »Ältestenrat« ergeht sich in harscher Ablehnung: Fremdes habe noch nie Gutes in diese Region gebracht, eine neue Tierrasse schleppe nur Krankheiten ein, und geeignetes Futter gebe es hier sowieso nicht. Die Kuh könne also nur Unheil bedeuten. Auch Tapdiqs Frau ist beim Plan ihres Mannes eher mulmig zumute, und einer der Söhne nimmt die diffusen Ängste auf: »Wenn wir die große Kuh kaufen, kommt sie und frisst uns alle auf!«

Der aserbaidschanische Regisseur Imam Hasanov gibt seinen Landsleuten viel Raum, ihre Stimmungslagen auszudrücken. Ohne Kommentar oder Interviews, in ruhigen Einstellungen, die beiläufig auch das karge Alltagsleben in dieser Bergregion porträtieren, erzählt er von der Beharrlichkeit Tapdiqs, gegen alle Widerstände etwas Neues auszuprobieren. Die skurril anmutende Geschichte thematisiert anhand der Kuh das Verhältnis Aserbaidschans zu Europa, hat aber von Anfang an auch einen parabelhaften Charakter: Wie kann eine Gemeinschaft, die so starr auf ihren Traditionen beharrt und allem Fremden mit irrationalen Ängsten begegnet, verändert werden?

Die Antworten bleiben in »Holy Cow« eher diffus. Tapdiq verwirklicht seinen Traum, hingebungsvoll kümmert er sich um seine neue Kuh, die er »Madonna« nennt – und die das Leben der Familie tatsächlich verbessert. Allerdings kommt die zuvor so klare und stringente Erzählung damit ins Stocken. Die Widerstände scheinen plötzlich verweht, die konkreten Entwicklungen wie den Geisteswandel im Dorf reißt Hasanov lediglich an. Sind nun wirklich alle Mitbürger überzeugt vom Segen dieser Neuerung? Es scheint, als habe der Film eine differenziertere Betrachtung seiner Botschaft geopfert – was wiederum Fragen bezüglich seiner filmischen Methode provoziert. Einige Szenen unterwandern ihren Inhalt, da sie nicht nur beobachtet, sondern gescriptet und inszeniert wirken. Allzu akkurat illustrieren seine Figuren in Dialogen genau das, was der Film erzählen will.

Viel stärker ist »Holy Cow« in den Passagen, die nichts belegen sollen, in denen sein überaus sympathischer Protagonist sich etwa redlich bemüht, seinen Traum der Familie verständlich zu machen, oder wenn er liebevoll mit seiner Kuh spricht, die für ihn so viel Hoffnung auf Veränderung verkörpert wie für seine Opponenten die Angst davor.

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