Kritik zu Gold

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Zwischen Westernmythen und Tatsachenbericht rollt Thomas Arslan ein unbekanntes deutsches Kapitel des kanadische Goldrauschs auf und macht Nina Hoss glaubwürdig zum unnahbar zähen Pionier-Cowgirl

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Zuerst gab es noch gewisse Zweifel darüber, ob das wirklich funktionieren kann: Nina Hoss, der spröde Star der »Berliner Schule«, hoch zu Ross im Wilden Westen? Doch dann steigt sie aus dem Zug, mit gedrosselten Träumen von einem besseren Leben, mit Zähigkeit und einem Hauch von abweisender Arroganz gewappnet gegen die Feindseligkeiten, die einer alleinreisenden Frau in diesem rauen Land entgegenschlagen. Unaufgeregt wie die großen Loner des amerikanischen Kinos und doch ganz und gar deutsch: Der große Coup dieses Goldgräber-Wagentreck-Pionier-Westerns made in Germany ist, dass er den amerikanischen Mythen nicht hinterherhecheln muss, weil er seine amerikanische Geschichte von vornherein aus historisch verbriefter deutscher Perspektive erzählt.

Nach dem Krimi Im Schatten spielt Arslan hier zum zweiten Mal virtuos mit den Mustern eines amerikanischen Genres und ist mit seiner türkisch–deutschen Lebensgeschichte auch gleich mitten im Immigrationsthema, das hier mal andersherum erzählt wird, mit den Deutschen als Einwanderern. Orientiert hat sich Arslan dabei weniger an Kinomythen als an den Tagebüchern und Fotos, mit denen die Pioniere ihre Suche nach dem Glück dokumentierten, im Film vertreten durch den von Uwe Bohm ziemlich schmierig gespielten Chronisten Gustav Müller. Mit von der Partie sind darüber hinaus noch der windige Anführer Wilhelm Laser (Peter Kurth), der die anderen mit seiner Zeitungsanzeige angelockt hat, der wortkarge Pferdepfleger Carl Boehmer (Marko Mandic), der zerknirschte Joseph Rossmann (Lars Rudolph), der seiner in New York zurückgelassenen Familie eine bessere Zukunft verschaffen will, und das kochende Ehepaar Maria und Otto Dietz (Rosa Enskat und Wolfgang Packhäuser).

Unglaublich weit öffnet sich für diese bunt zusammengewürfelte Truppe der einst so enge Blick der Berliner Schule, auf unwirtliche Landschaften, schroffe Berge, dunkle Wälder und karge Steppen, die Kameramann Patrick Orth in atemraubende Bilder fasst, begleitet von Dylan Carlsons Gitarre, deren sirrende Saiten so gespannt sind wie die Nerven der Reisenden. Ganze Lebensgeschichten vermitteln sich allein durch die Art, wie sich ein Mensch in der Landschaft bewegt. Ausgesprochen ökonomisch schneidet Arslan weg, wenn eine Szene auserzählt ist, und erfasst kleine Details en passant, beispielsweise dass sich die Indianer am Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr wie marodierende Wilde auf die Skalps der weißen Pioniere stürzen, sondern einfach ganz ruhig die Hand aufhalten, um fünf Dollar für die Wegweisung zu kassieren. Und als Uwe Bohm auf der Suche nach Essbarem in eine Bärenfalle tappt, lamentiert Lars Rudolph rührend kläglich über dieses große Pech, mitten in dieser Wildnis – als wolle er etwaigen Einwänden der Zuschauer zuvorkommen. Und dann merkt man plötzlich, dass auch die bisherigen Filme von Arslan schon ein paar Westernelemente hatten, die Konzentration auf den Weg und die Verweigerung, Probleme und Gefühle auszudiskutieren.

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