Kritik zu Gestorben wird Morgen

© Gluthfilm

2019
Original-Titel: 
Gestorben wird Morgen
Filmstart in Deutschland: 
28.03.2019
L: 
74 Min
FSK: 
6

Sun City, Arizona, ist eine Stadt nur für Rentner. Susan Gluth stellt sie vor – in stimmungsvollen Bildern, ruhig-mäanderndem Rhythmus und Gesprächen mit den betagten Bewohnern

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Bereits eine der ersten Einstellungen in Susan Gluths Doku »Gestorben wird Morgen« präsentiert das Setting des Films in eindrucksvollen Bildern: Eine Luftaufnahme des Schauplatzes Sun City offenbart, dass wir uns in einem bis zur Künstlichkeit geplanten Raum bewegen; in exakt kalkulierten, konzentrischen Kreisen erstreckt sich die Stadt in Arizonas Wüstenlandschaft, an strategischen Orten wurden Kirchen, Krankenhäuser und Sporthallen errichtet. Schulen allerdings fehlen im fein säuberlich konstruierten Stadtbild – denn wer nach Sun City zieht, muss mindestens 55 Jahre alt sein. Kinder und Jugendliche gibt es hier nicht.

Die Stadt ist eine Seniorenkolonie mit etwa 35 000 Einwohnern – dementsprechend ist alles hier auf die Bedürfnisse der betagten Bürger ausgerichtet: breite Straßen, unzählige Pflege- und Freizeitangebote, exzellente medizinische Betreuung. Der Film folgt einer Handvoll von Protagonisten durch ihren gemächlichen Alltag zu Tanzaufführungen, Flohmärkten und Arztbesuchen. Dazwischen berichten die sympathischen Interviewpartner über ihr Leben in Sun City: vom Verhältnis zu den meist weit entfernten Kindern und Verwandten, vom Sex im Alter, von Operationen und Therapien, vom entspannten Warten auf den Tod. Einzelne schräge Episoden sorgen dabei für Auflockerung: Eine Senioren-Punkband spielt einen Song namens »Menopause« im Garagenproberaum; ein Ehemann töpfert für seine Frau eine Urne.

Dem Lebensrhythmus ihrer Protagonisten entsprechend übernimmt die Regisseurin ein ruhiges Tempo und eine mäandernde Struktur. Interessante Informationen über die ungewöhnliche Stadt erfährt man eher beiläufig aus Gesprächen; so ist der Film zwar nur bedingt informativ, vermittelt aber ein eindrückliches Gefühl von seinem Schauplatz. Das liegt vor allem an Gluths exzellenter Kameraführung, welche die unwirkliche, glatte Erscheinung der US-amerikanischen Alltagswelt hervorragend einfängt.

Es ist schade, dass sich »Gestorben wird Morgen« nicht kritischer einigen der Fragen widmet, die unterschwellig durchaus mitschwingen. Das beginnt etwa bei einer kurz im Hintergrund sichtbaren Werbetafel, die reißerisch für Sparangebote bei der Einäscherung wirbt: Wie weit geht die zynische Kommerzialisierung dieses harmonisch, gar utopisch wirkenden Ortes? Noch auffälliger ist die unkommentierte Heterogenität der Modellstadt: Warum ist hier beinahe kein einziges nichtweißes Gesicht zu sehen? Angesichts einer zu 98 Prozent weißen Bürgerschaft wirken Sätze wie »Hier ist man unter sich« plötzlich problematisch. Was meinen die Hilfssheriffs genau, wenn sie sagen, dass sie die Stadt »sauber« halten wollen?

Das sind aber sicher nicht die Fragen, die Gluth mit ihrer durchaus gelungenen Doku aufwerfen will; ihr geht es speziell um den Umgang mit dem Tod und die Rolle von älteren Menschen in der westlichen Gesellschaft. So thematisiert der Film überzeugend die Vor- und Nachteile einer solch hermetischen Seniorenstadt und liefert Stoff zur weiteren Diskussion.

Meinung zum Thema

Kommentare

JA, kann ich da nur sagen!
Auch hier muss es doch möglich sein, dass WIR Sennioren uns so in Würde und Gestalt das Leben noch genießen können.
Schreiben Sie mir bitte, damit die ersten Schritte und Anregungen dafür in die Wege geleitet werden. Schauen Sie auf www.dietrichschumacher.de dort stehen weitere Angaben. Danke mit Gruß
für eine Gemeinsamkeit der Senioren.

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt