Kritik zu Fritzi: Eine Wendewundergeschichte

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Das Kinderbuch über ein Mädchen, das in Leipzig 1989 die Demonstrationen und den Fall der Mauer miterlebt, verfilmt als atmosphärischer Animationsfilm

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»Fritzi war dabei« heißt die Romanvorlage von Hannah Schott, die nun für das Kino adaptiert wurde. Fritzi war bei der friedlichen Revolution in Leipzig dabei und hat aus Kindersicht die dramatischen Ereignisse vor dreißig Jahren miterlebt, die zum Umsturz der DDR führten. Der Film erzählt von dem 12-jährigen Mädchen, das zunächst völlig unbedarft mit Eltern und Bruder sein Leben in Leipzig genießt. Im Sommer 1989 macht Fritzis beste Freundin Sophie Urlaub in Ungarn, und als sie nach den Ferien nicht zurückkommt, ist klar, dass sie mit ihrer Mutter »rübergemacht« hat. Sophie hatte ihren geliebten Hund Sputnik in Fritzis Obhut hinterlassen, und nun rätselt Fritzi, wie sie ihn ihrer Freundin zurückgeben könnte.

Am Beispiel dieses sehr einfachen Konflikts werden in dieser »Wendewundergeschichte« die politischen Strukturen hinterfragt. Fritzi sieht sich zum ersten Mal damit konfrontiert, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes an ihre Grenze stößt. Sie kann nicht nach Ungarn fahren, um Sputnik seinem Frauchen zurückzubringen, sie darf auch die simpelsten Fragen – schützt die Grenze vor den Kapitalisten, oder ist es so, dass sie niemanden rauslässt? – nicht stellen, denn ihre Lehrerin reagiert darauf äußerst ungehalten und wittert sogleich die imperialistische Invasion. Der Schulalltag ist geprägt von Fahnenappell und Drangsalierungen durch die Thälmann-Pioniere ihrer Klasse, die natürlich bestens Bescheid wissen über die »Hippies«, die über Ungarn in die BRD fliehen. Es ist eine logische Entwicklung, dass Fritzi mit ihrer Neugier in die Nikolaikirche und zu den Montagsdemonstrationen gelangt und sich ganz selbstverständlich diesem friedlichen Protest anschließt.

Als Zuschauer braucht man ein bisschen Zeit, um sich auf die Animation einzulassen, eine Form, die nicht unbedingt das erste Mittel der Wahl ist, um einen historischen Stoff zu erzählen. Aber gerade deswegen ist der Rückblick in die Zeit so spannend und authentisch gelungen und macht ihn für die jungen Zuschauer begreiflich. In warmen pastellfarbenen Bildern bewegen wir uns durch eine Epoche deutscher Geschichte, die sich heutige Kinder gar nicht mehr vorstellen können. Kaputte Straßen, abblätternde Hauswände, in den Amtsstuben und im Klassenzimmer Honecker-Bilder oder Gagarin-Büsten und natürlich die Grenze. Im Fernsehen laufen die weltbekannten Szenen der Demonstrationen, Genscher in Prag, die Maueröffnung, die sich für immer in unser Gedächtnis eingeprägt haben. Die Realbilder sind im Film noch als Originale erkennbar, aber zur Animation verfremdet, womit die Regisseure Matthias Bruhn und Ralf Kukula eine visuelle Ästhetik als Brücke zwischen damals und heute schaffen und den Ruf »Wir sind das Volk« den friedlichen Protestanten zurückgeben, denen sie gehören. Gleichzeitig machen sie der heutigen jungen Generation Mut, sich weiterhin an den Freitagsdemonstrationen der Umweltbewegung zu engagieren. Fritzi ist im besten Sinne ein Vorbild für die heutige Zeit.

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