Kritik zu Freunde fürs Leben

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Zwei alte Freunde treffen sich in Madrid, vielleicht ein letztes Mal. Denn einer von ihnen ist schwer an Krebs erkrankt. Ein poetisch-realistisches Bromance-Movie des spanischen Regisseurs Cesc Gay (»Ein Freitag in Barcelona«) über Abschied, Tod und Erinnerung

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Am frühen Morgen macht sich ein Mann am winterlichen Ende der Welt bereit. Wie er sich beinahe stumm verabschiedet von seiner Frau und seinen Kindern, zeigt, dass er sich auf eine schwierige Mission begibt. Der Spanier Tomás (Javier Cámara) fliegt von seinem Wohnort Kanada nach Europa. Er landet in Madrid: für ein langes, letztes Wochenende, in dem sich der Alltag verdichten wird zu Momenten, die ganz und gar dem Kino geschuldet sind.

Tomás trifft in der spanischen Metropole nach langer Zeit seinen alten Freund Julián (Ricardo Darín) wieder, der nach andauernder schwerer Krebserkrankung dem Tod offensiv begegnen will. Tomás und Julián, sie sind gegensätzliche Typen, die sich doch fast vollkommen ergänzen. Tomás, der ruhige Wissenschaftler und Familienvater, den es in seiner erfolgreichen Karriere nach Kanada verschlagen hat, wird für ein paar grandiose und schmerzliche Tage zum verblüfften Zuschauer von Juliáns Leben im Angesicht des Todes. Julián wiederum, der verarmte Schauspieler, der nach seiner Scheidung alleine lebt, macht vielleicht für ein letztes Mal Madrid zu einer Bühne für sein Leben voller Leiden und Leidenschaft. In seinem Apartment hat er ein Plakat der launischen argentinischen Sexgöttin Isabel Sarli hängen, das ihn zweifellos als Diva auch jenseits des Theaters ausweist.

Zwei Stars des spanischsprachigen Kinos verkörpern die beiden Freunde. Javier Cámara, der bei Julio Medem (»Lucía und der Sex«) und natürlich bei Almodóvar (»Sprich mit ihr«) gespielt hat, ist der staunende Tomás, seine Erscheinung wirkt wie der Resonanzboden schwer ergründlicher Gefühle. Der Argentinier Ricardo Darín, bekannt aus Filmen wie »Wild Tales« oder »In ihren Augen«, gibt den passionierten Julián als Komödianten der Melancholie.

Was anfänglich wie ein wehmütiger Feelgood-Film über Freundschaft und Tod erscheint, entpuppt sich allmählich als genuines Melodram. Regisseur Cesc Gay, einem Spezialisten für Beziehungsdramen und Tragikomödien, der durchaus dem spanischen Queer Cinema verpflichtet ist, gelingt ein schöner kleiner Film über die Liebe zwischen zwei Hetero-Männern, eine richtige europäische Bromance.

Zwei Freunde und der Tod auf einem letzten Trip durch Madrid. Als Reigen der kurzen Begegnungen hat Cesc Gay dieses Abenteuer inszeniert. Wie Tomás und Julián einander begegnen. Und wie sie zusammen Juliáns Arzt, seinen Kollegen, seiner Schwester und seiner Exfrau begegnen.

Es sind beiläufige Begegnungen, in denen sich zugleich so etwas wie die Wahrheit des Lebens offenbart. Eine davon wird zum melodramatischen Zentrum des Films. Da fliegen die Freunde für einen Nachmittag nach Amsterdam, um Juliáns Sohn aus der gescheiterten Ehe, der dort studiert, zum Geburtstag zu gratulieren. Die Umarmung zwischen Vater und Sohn wird zum emotionalen Thriller. Weiß der Sohn, wie es um den Vater steht?

Im Original hat der Film einen schönen, leicht mysteriös klingenden Titel. Er heißt einfach »Truman«, so wie der große, alte, gutmütige Hund von Julián, für den er verzweifelt nach einem Platz sucht, sollte er seine Krankheit nicht überleben. Diese Idee mit dem Hund ist freilich eine Variation auf die Geschichte von »Umberto D.«, einem legendären Film von Vittorio De Sica, dem heute schon fast vergessenen Realisten des Sentiments.

Und noch eine andere Strömung der Kinomoderne hat Gay inspiriert: der Poetische Realismus aus dem Frankreich der dreißiger und vierziger Jahre. Wie Gay das Viertel Las Salesas in Madrid aufnimmt, das wirkt, als sei es von dem berühmten Szenografen ­Alexandre Trauner konstruiert worden. Ein stilisiertes Viertel, in dem Schmerz, Erinnerung und Sehnsucht Nachbarn sind.

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