Kritik zu Face_It!

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Welche Vor- und Nachteile bringen uns die Methoden der digitalen Gesichts­erkennung? Gerd Conradt diskutiert mit Protagonisten aus Kunst, Politik und Wissenschaft

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Auf der Spitze eines Leuchtturms prangt ein riesiger Stahl-Smiley. Gesteuert wird das Ungetüm durch eine innen positionierte Kamera, die auf die Hafenpromenade zielt und die Gesichtsausdrücke der zahlreich erschienenen Besucher mittels Machine-Learning-Methoden »liest«. Und siehe da: das neonleuchtende analoge Emoji zieht die Mundwinkel hoch und lacht. »Fühlometer« nennt der Künstler Julius von Bismarck diese Installation. Was amüsant erscheint, entwickelt einen medien- und überwachungskritischen Drive, denn: von Bismarck konfrontiert uns damit, dass unser Gesicht, unsere Emotionen, ausgelesen und (wofür auch immer … ) weiter verarbeitet werden können.

Digitale Gesichtserkennung ist das Stichwort, mit dem sich Gerd Conradt in seinem Dokumentarfilm »Face_It! – Das Gesicht im Zeitalter des Digitalismus« auseinandersetzt. Der Tenor ist trotz der Leichtfüßigkeit, mit der Conradt zu Werke geht, pessimistisch. »Wir sind Daten«, heißt ein Song von Künstler Peter Weibel, den wir zu hören und als Tanz aus Einsen und Nullen zu sehen bekommen. Im digitalen Zeitalter werden wir zu Daten. Aber was bedeutet das für uns?

Diese Frage diskutiert Conradt mit Protagonisten aus Kunst, Politik und Wissenschaft, die abwechselnd verschiedene Interventionen und künstlerische Auseinandersetzungen zur Datenverarbeitung und Gesichtserkennung reflektieren. Es geht um das Gesicht als modernen Fingerabdruck, das durch FACS-Coder wie Holger Gunzmann auf Grundlage des sogenannten Facial Action Coding Systems entschlüsselbar werden soll. Thematisiert wird die Digitalisierung, die die recht unkritisch daherkommende Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, mit »offenem Herzen und kühlem Kopf« begleiten möchte. Und es geht vor allem auch um unser Verständnis von und Verhältnis zur Technik, die laut Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Sigrid Weigel irrsinnigerweise als Allheilmittel verschiedenster Probleme propagiert wird.

Die Idee zum Film kam Conradt durch ein vieldiskutiertes Pilotprojekt zur Gesichtserkennung per Überwachungskamera am Berliner Bahnhof Südkreuz. Mit Probanden werden dort die Möglichkeiten der umstrittenen Technik erprobt. In »Face_It!« wird der Bahnhof zur Manifestation der Debatte, die zwischen den Polen Sicherheit und Freiheit geführt wird. »Die Sicherheit ohne Freiheit ist komplett wertlos«, skandiert jemand während einer Intervention auf dem Bahnhof.

Conradt treibt ein Spiel mit der Selbstreferentialität, das sich schnell abnutzt. Auch neigt er zu einem pädagogischen Duktus, etwa wenn er philosophierend, gefilmt per Selfie-Stick mit dem Smartphone, durch einen Wald schleicht, während auf der Tonspur das Treiben auf dem Bahnhof zu hören ist. Gegen Ende nervt der Erziehungswille wirklich, wenn der Künstler padeluun, zugleich Vorstandsmitglied von Digitalcourage e.V., sich direkt an das Publikum wendet und eine Brandrede gegen digitale Überwachung hält. Gedanken anregend, kritisch und politisch wichtig ist Conradts Film auch ohne derlei Aktivismus.

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