Kritik zu Erbarmen

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Krimis aus skandinavischen Ländern haben bei uns Konjunktur, als Bücher, Fernsehserien oder im Kino. Nach Mankell und der »Millennium«-Trilogie ist jetzt der Däne Jussi Adler-Olsen dran

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Rund 5,5 Millionen Exemplare der Bücher um den Kommissar Carl Mørck wurden bei uns verkauft, 1,5 Millionen allein vom ers­ten Band »Erbarmen«. Fünf Bände sind seit 2007 erschienen, fünf weitere sollen folgen. Eigentlich ideale Voraussetzungen für eine Serienproduktion, die sich mit dem ZDF unter den Produzenten im Vorspann der Verfilmung schon andeutet. Und Regisseur Mikkel Nør­gaard hat auch einige Folgen der erfolgreichen TV-Serie »Borgen« inszeniert. Das passt.

Hinzu kommt, dass Mørck durchaus Charisma hat, wenn auch eher auf der Negativseite. Ein wortkarger Soziopath, beim Lösen seiner Fälle aber durchaus erfolgreich, nicht sonderlich hierarchiebereit, einsilbig. Seine Frau hat ihn verlassen, seitdem lebt er mit seinem Sohn in einer Art wortloser Wohngemeinschaft. Der Schauspieler Nikolaj Lie Kaas (»Illuminati«) verkörpert ihn mit vor Griesgram nur so strotzenden Gesichtszügen. Als Morck nach einer Auszeit nach einem missglückten Einsatz, bei dem ein Kollege starb, wieder im Polizeipräsidium erscheint, eröffnet ihm sein Chef, dass er aus dem aktiven Dienst herausgenommen wird und die Leitung der Abteilung »Q« übernehmen soll, die neu – und wahrscheinlich speziell für ihn – gegründete Stelle für ungelöste Fälle im Keller des Präsidiums. Und sie besteht auch nur aus ihm und einem Assistenten, dem syrischen Migranten Assad (Fares Fares), den der Herr Kommissar auch mal Ali nennt. Dass die beiden sich zusammenraufen müssen und werden und dass das auch ein langer, steiniger Weg sein kann, gehört seit Jahrzehnten zu den Standardsituationen dieser Konstellation.

Die beiden verbeißen sich in den Fall einer vor vielen Jahren auf einer Fähre verschwundenen Politikerin. Sie glauben nicht daran, dass es ein Selbstmord war, sie hoffen, dass die Frau, die sich um ihren behinderten Bruder kümmerte, sogar noch am Leben sein könnte. Und dieser Verdacht erhärtet sich, zumindest für uns Zuschauer: Merete Lyng­gaard (Sonja Richter) wird seit Jahren in einer Druckkammer gefangen gehalten.

Wie ein Räderwerk greifen in der zweiten Hälfte des Films die Teile des Puzzles ineinander, wie am Schnürchen bauen Regisseur Norgaard und sein Drehbuchautor Nikolaj Arcel am Ende ihre Spannungsbögen auf. Spannung kann man diesem Film sicherlich nicht absprechen, aber es bleibt ein schaler Nachgeschmack. Irgendwie geht alles zu glatt, irgendwie passt dann alles zu perfekt. Arcel hat auch an »Ver­blendung« mitgeschrieben, aber da war auch die literarische Vorlage mit ihrer Verbindung von Wirtschaftskriminalität, Missbrauch, dubioser Fami­liengeschichte und politischen Verwicklungen eine ganz andere Herausforderung. Abgründe jedenfalls tun sich in »Erbarmen« kaum auf. In Dänemark war »Erbarmen«, der zu großen Teilen der Filmförderung wegen in Hamburg gedreht wurde, der erfolgreichste Film des Jahres. Seit Oktober wird übrigens an »Schändung«, dem zweiten Teil der Bestsellerreihe, gearbeitet.

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