Kritik zu Ein Mann von Welt

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Eine existenzialistische Tragikomödie aus Norwegen. Der große Stellan Skarsgård spielt einen alternden ehemaligen Kleingangster auf der manchmal lakonischen, manchmal verzweifelten Suche nach Würde

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Ulrik ist sicherlich ein Mann mit Vergangenheit. Die letzten Jahre hat er im Knast verbracht. Und natürlich holt ihn bei seiner Freilassung diese Vergangenheit wieder ein. Denn der alte Gangsterboss Jensen, für den Ulrik Handlanger, Totschläger und Sündenbock war, »kümmert« sich um ihn. Er hat bereits Ulriks Leben am schäbigen Stadtrand von Oslo durchorganisiert. Ulrik kann im Keller von Jensens Schwester schlafen, er bekommt einen Mechanikerjob in einer trostlosen Werkstatt und soll dafür freilich wieder dreckige Jobs erledigen.

Das Leben in Freiheit ist also für Ulrik sogleich wieder ein Leben im Gefängnis. Ein Leben ohne Ausweg am Rande der Gesellschaft, so, wie es immer schon gewesen ist. Doch im alternden Gesicht von Ulrik, dessen schütteres Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden ist, scheint sich auf eine stille, melancholische Weise Widerstand zu offenbaren. Ulrik, so, wie ihn Stellan Skarsgård spielt, weiß um seine letzten Möglichkeiten, auch wenn er keine Chance hat. Auf bedächtige, beinahe altmodische Art zelebriert Skarsgård die condition humaine und den leisen, tragikomischen Versuch ihrer Überwindung.

Der renommierte norwegische Regisseur Hans Petter Moland, der nach »Zero Kalvin« und »Aberdeen« hier bereits zum dritten Mal mit Skarsgård zusammenarbeitet, hat eigentlich einen Film noir gemacht. Einen Film aus jenem internationalen Noir-Subgenre voller gebrochener Helden und skurriler Charaktere, das es seit den 80er Jahren gibt als eine Mixtur aus B-Picture und Indie-/Arthouse-Produktion. Zu diesem Subgenre gehören beispielsweise amerikanische Killerporträts wie »Das Leben nach dem Tod in Denver« oder »Ghost Dog«, aber auch Til Schweigers »Knocking On Heaven's Door«.

Auch wenn Molands Film noir nicht die Tiefe von Kaurismäki-Werken erreicht, so beeindruckt doch der Reigen schräger, komischer Figuren, die sich im Grunde als todtraurige Charaktere entpuppen: der hypernervöse Werkstattbesitzer etwa, oder der fiese Jensen, der von der Zeit längst überholt wurde, ein rostiger Oldtimer wie sein alter protziger Mercedes. Manchmal gerät Moland in Gefahr, seine Figuren bloßzustellen, besonders bei der Darstellung von Jensens böser, hässlicher Schwester, die den armen Ulrik im Kellerloch immer wieder zum Sex »überredet«. Aber im letzten Augenblick können wir Zuschauer auch in dieser monströs-frustrierten Frau die Spuren von Einsamkeit und Sehnsucht erkennen.

Nicht ganz so zu werden wie all diese schrecklichen und lächerlichen Figuren, das ist Ulriks Ziel. Und es hat eine gewisse filmische Eleganz, wie Skarsgård als Ulrik vor allem den eigenen emotionalen Verstrickungen zu entkommen versucht. Man hofft mit dem Mann, den ein tragisches Schicksal wie Mickey Rourkes »Wrestler« zu erwarten scheint. Am Ende sind Ulriks Optionen, einen Mord oder Selbstmord zu begehen. Wenn da nicht der Zufall oder das Schicksal wäre, das ihn zum Geburtshelfer bei seiner eigenen, hochnäsigen Schwiegertochter macht. Die Geburtshilfe signalisiert seine eigene Wiedergeburt. Ulrik ist vielleicht doch ein Mann mit Zukunft.

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