Kritik zu Dries

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Mode zum Anziehen: Reiner Holzemer porträtiert mit dem belgischen Couturier Dries van Noten einen der letzten Unabhängigen im Moderummel

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»Fashion ist so ein leeres Wort, wir müssten ein neues erfinden«, meint Dries van Noten. Möglichst eins, das weniger schnelllebig klingt. Sicher, auch er bringt alle sechs Monate eine neue Schau auf den Laufsteg. Doch die dort vorgestellte Garderobe soll, so wünscht er, ihre Träger und Trägerinnen länger begleiten als eine Saison. Essentiell ist auch, dass seine Kleider in einer von Spannung getragenen Beziehung zum »wirklichen Leben« stehen. Deshalb macht er auch nicht Haute Couture, sondern Mode zum Anziehen. Und erzählt amüsiert, wie er einmal eine komplette Kollektion aus Seide zum Nachknittern in die Waschmaschine packte, weil sie ihm zu ebenmäßig erschien.

Ins Atelier in einem alten Kontorhaus in Antwerpen schaut die Außenwelt mittels eines Über-die-Dächer-Weitblicks durch ein großes Fenster herein, davor sind auf dem Boden unzählige Häufchen mit Stoffmustern ausgelegt: Erste Anregungen für die neue Kollektion, die hin und her geschoben, gefaltet und übereinander drapiert werden. Sie kommen von Tuchmachern, die die Arbeit des auch für seinen Umgang mit Material renommierten ­Designers schätzen. Als der Sohn eines Herrenausstatters 1977 sein Studium an der Königlichen Hochschule für Schöne Künste in Antwerpen begann, dachte er noch daran, seinen Namen in einen italienisch oder französisch klingenden zu verändern. Doch dann siegte das Selbstbewusstsein – und die Clique um Ann Demeulemeester und ihn brachte 1986 unter dem Label »Antwerp Six« erstmals belgische Mode höchst erfolgreich in den Weltfokus. Ein Triumph, den Dries van Notens erste eigene Kollektion 1994 wiederholte.

Der Münchner Regisseur Reiner Holzemer (»William Eggleston«) begleitet den freundlichen, mit fast fanatischem Ernst seiner Sache verschriebenen Meister während der Kollektionen 2016/17 und gibt gründliche Einblicke in die fast kollektive und handwerkliche Arbeitsweise der Firma – eine der wenigen, die noch selbständig agiert. Parallel lässt der Filmemacher auf ­Video festgehaltene Kollektionen des Meisters von diesem kommentieren: Neben vielen erfolgreichen ist dabei auch eine (nach van Notens Aussage) schwer verkäuflich gebliebene Kollektion aus dem Winter 2009/10, deren von Gemälden Francis Bacons inspirierte Farben Modepäpstin Suzy Menkes an »verfaulte Garnelen« erinnerten.

Van Noten wohnt mit seinem privaten und geschäftlichen Partner Patrick Van­gheluwe in einem veritablen Schlösschen. Die millimeterpräzise Inszenierung jedes Details in den mauve-lindgrün gehaltenen Belle-Epoque-Salons nehmen die beiden so genau wie die Kontrolle des richtigen Sitzes von Frisur und Halstüchlein auf dem Catwalk. Ihre Grenze findet diese Homestory, als der Filmemacher seinen Protagonisten leicht übergriffig nach der Liebesgeschichte der beiden fragt und van Noten mit einem »What kind of movie is this?« lachend Auskunft verweigert. In seiner Kritik am Gewerbe ist van Noten recht offen: Bei aller Leidenschaft für die Sache sei das Modegeschäft ein erbarmungsloses rat race, bei dem es tödlich wäre, auch nur eine Runde auszusetzen. Etwas mehr Zeit zu haben, wäre sein größter Traum.

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