Kritik zu Die Farbe des Horizonts

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Der isländische Regisseur Baltasar Kormákur (»101 Reykjavik«, »2 Guns«, »Everest«) rekonstruiert nach einem wahren Ereignis, aber mit hochkarätiger Besetzung die Geschichte eines jungen Paares, das auf hoher See in einen Hurrikan gerät

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Alle kennen Road Movies, viel seltener aber werden die Boat Movies gewürdigt. Wo man mit einem Auto zumindest theoretisch jederzeit rechts ranfahren kann, um den gefährlichen Weg in Richtung Selbsterkenntnis abzubrechen, endet eine filmische Seefahrt oft nicht eher, bevor Boot oder Passagiere vom Kurs abgekommen und untergegangen sind. Zuletzt perfektionierte der amerikanische Regisseur J.C. Chandor diese fatalistisch-metaphorische Kunstform: in »All is Lost« versenkte er mit großer Geste Robert Redford im Indischen Ozean. Der Isländer Baltasar Kormákur hat sich Chandors minimalistisches Filmerlebnis mutmaßlich sehr genau angeschaut. Denn sind die visuellen Möglichkeiten eines Kammerspiels auf einem Segelboot auch grundsätzlich begrenzt, steht Kormákurs neuer Film »Die Farbe des Horizonts« inszenatorisch doch deutlich unter Chandors Einfluss.

Die Macher dieses neuen Schiffbruchspektakels haben das Konzept aber vor allem um eine Idee erneuert: Was, wenn kein alter, wettergegerbter Mann den Gezeiten ausgesetzt wird, sondern zwei attraktive Jungschauspieler? So fügt man den Schauwerten der turmhohen Wellen und ozeanischen Weiten noch die nasser T-Shirts auf attraktiven Körpern hinzu. Angesichts der Tatsache, dass »Die Farbe des Horizonts« auf einer wahren, tragischen Geschichte beruht – wie der Film nicht müde wird zu betonen – wirkt diese extreme Verkitschung der autobiographischen Vorlage ein wenig zynisch.

Mit einem seiner früheren Filme hat Kormákur genau das noch vermieden: In »Everest« entwickelte er aus der Nacherzählung eines Bergunglücks einen stimmigen Blockbuster, der die bizarre Eventkultur um die Everest-Besteigung kritisierte. »Die Farbe des Horizonts« aber ist nichts weiter als ein Groschenroman im Filmformat, wenn auch technisch ansprechend inszeniert. Es geht um die amerikanische Backpackerin Tami (Shailene Woodley), die seit Monaten durch die Welt driftet und mal hier, mal dort Arbeit findet. In Tahiti begegnet sie dem schneidigen, britischen Segler Richard (Sam Claflin), mit dem sie bald eine Beziehung beginnt. Dann bekommt Richard das folgenschwere Angebot, die Segelyacht eines Freundes nach Kalifornien zu überführen. Das junge Paar nimmt die Herausforderung an, gerät aber auf hoher See in einen Hurrikan, der das Boot kentern lässt. Da Richard dabei schwer verletzt wird, muss die unerfahrene Seglerin Tami die Kontrolle übernehmen.

Vorwerfen sollte man dem Film nicht ­seine überdramatische Darstellung einer Liebe unter Extrembedingungen – das gehört nun mal untrennbar zum Genre des Melodramas. Zum Verhängnis wird ihm, dass er an seinen Figuren keinerlei Interesse hat: für die Anfänge der Liebeleien auf Tahiti ­
findet der Regisseur nur abgeschmackte Bilder und Dialoge; zu keinem Zeitpunkt kommt echte Chemie zwischen Woodley und Claflin auf. Das führt dazu, dass der Sturm und der Schiffbruch zu einer zu offensichtlichen Chiffre für Tamis Orientierungslosigkeit werden: statt sich im Backpacker-Lifestyle »treiben zu lassen«, muss sie nun »das Ruder übernehmen«. Boat Movies sollten mehr können, als nautische Metaphern zu verbildlichen.

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