Kritik zu Das Schwein von Gaza

© Alamode

2011
Original-Titel: 
When Pigs Have Wings
Filmstart in Deutschland: 
02.08.2012
L: 
98 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Der französisch-uruguayische Regisseur Sylvain Estibal ist von den Absurditäten der Konfrontation zwischen Israelis und Palästinensern fasziniert. Sein Film kreist um einen kleinen Mann, der im »Freiluftgefängnis« Gaza zwischen die Fronten gerät

Bewertung: 4
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Der explosive Stoff des Nahostkonflikts wird hier scheinbar naiv als melancholisch nachklingende Situationskomödie erzählt. Die Komik ist dem Kniff zu verdanken, dass ausgerechnet ein Schwein die brutalen Widersprüche zum Tanzen bringt. Muslime und Juden tabuisieren das »unreine« Tier, doch die Not veranlasst die Widersacher zu gewitzten, nicht immer vom Erfolg gekrönten Regelverstößen. Das Schwein, das dem gutmütigen Fischer Jafaar ins Netz geht, ist ein quiekendes Corpus Delicti, dessen Harmlosigkeit die Satire auf die Spitze zu treiben hilft.

Jafaar – der israelische Komödienstar Sasson Gabai verkörpert den Palästinenser als hageren angegrauten Überlebenskünstler – fängt meist Flipflops, denn die israelische Armee verbietet es, weit hinauszufahren. Er kann nur ein paar Sardinen verkaufen, seine Schulden wachsen. Seiner abgeklärten Frau Fatima verheimlicht er die Klemme, doch auch sie behält etwas für sich: Zusammen mit dem Feind im eigenen Haus, einem israelischen Armisten, der auf ihrem Dach Dienst schieben müsste, schaut sie Telenovelas an, in denen die verfeindeten Liebenden sich »am Ende doch vertragen«.

Das Schwein von Gaza, eine auf Malta gedrehte Koproduktion, will ein im besten Comedy-Sinne vermittelter Friedensappell sein. Was, wenn man miteinander zum gegenseitigen Vorteil ins Geschäft käme? Sylvain Estibal beobachtete in Uruguay, dass zum muslimischen Opferfest Schiffsladungen mit Schafen Richtung südöstliches Mittelmeer verfrachtet werden. Warum also nicht ein Tier auf dem Meer entwischen lassen? Er amüsierte sich auch über die Anekdote, dass ein Rabbiner das religiöse Verbot geschickt umgangen und den streng orthodoxen jüdischen Siedlern im Gaza-Streifen die Schweinezucht erlaubt habe – sofern die Tiere einen Meter über der israelischen Erde untergebracht sind.

Das Schwein von Gaza blendet solch surreale Betriebsgeheimnisse der verfeindeten Nachbarn ineinander. Jafaar überwindet den Ekel vor dem nie gesehenen Fremden, er legt die Kalaschnikow beiseite, die ihm der süffisante Barbier besorgte, um das unberührbare Treibgut – ausgerechnet ein besonders hässliches, gemütliches Schwein aus Vietnam – zu erledigen. Er wittert eine Chance, endlich zu Geld zu kommen, als er erfährt, dass die jüdischen Siedler heimlich Schweine halten.

Doch was als knapper Handelsakt unter dem Stacheldraht hindurch geplant ist, eskaliert nach dem Prinzip: »Wir haben keine Chance, also nutzen wir sie.« Yelena, die junge russische Außenseiterin der Siedlung, der die Schweine anvertraut sind, will zunächst nur das Sperma des Schweins, im Lauf der Irrungen aber muss Jafaar den Eber unter weißen Schaffellen versteckt zu ihren Sauen bringen. Doch längst ist er in die Hände der dreist mafiösen Dschihadisten geraten, die ihn zum Selbstmordanschlag auf die jüdische Siedlung nötigen. Chaplins ikonische Fantasie vom Aufbruch in die Ferne wird zitiert, wenn Jafaar mit Fatima, Yelena, einem Siedlerkind und dem Kumpelschwein entkommt. Aber das Ende muss offenbleiben.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt