Kritik zu Das Bourne Ultimatum

Trailer englisch © Universal Pictures

Wollt ihr, dass er lebt? Matt Damon weiter auf Identitätssuche

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Beim Start von »Bourne Identität« 2002 war noch nicht abzusehen, wie viele Sequels es brauchen würde, um Jason Bourne an sein Ziel zu bringen. Das Franchise gehört zu den erfolgreichsten der letzten Jahre und geht nun, zum zweiten Mal unter der Regie von Paul Greengrass, in die dritte Runde.

Jason rennt. Der Ex-Geheimagent, mittlerweile von seiner eigenen Organisation als Sicherheitsrisiko eingestuft, bewegt sich auch bei seinem dritten Leinwandauftritt in einem wahnwitzigen Tempo zwischen verschiedenen Kontinenten hin und her, gejagt von Profikillern, die jenen Apparat hinter sich haben, der ihn einst zur Killermaschine umpolte. Jason rennt und sucht – Antworten. Dass er einst David Webb hieß, weiß er mittlerweile. Dass er seinen Frieden nicht finden kann, auch wenn das »Treadstone«-Programm, das aus ihm die Killermaschine machte, vor einigen Jahren terminiert wurde, musste er bereits erfahren, als die Idylle im indischen Goa, in die er sich mit seiner Freundin Marie abgesetzt hatte, jäh beendet wurde durch das Auftauchen eines Killers, dem Marie zum Opfer fiel. Wer aber war verantwortlich für seine Umpolung und wer trachtet ihm heute nach dem Leben? Neue Informationen erhofft sich Bourne jetzt von einem Treffen mit einem britischen Journalisten, der Artikel über ihn publiziert hat – offenbar auf der Basis von Insiderinformationen. Die Wahl von Londons Waterloo Station als Treffpunkt zeigt die Intelligenz Jason Bournes, denn wie die mithörende und -sehende CIA erkennen muss, ist die Verfolgung – trotz der zahlreichen Überwachungskameras – auf dem verkehrsreichsten Bahnhof der britischen Metropole nicht so einfach.

»Take them both out!« Die Anweisung des CIA-Verantwortlichen Noah Vosen, Bourne und den Journalisten betreffend, ist eindeutig. Gerät er in Rechtfertigungsschwierigkeiten, spricht er immer wieder gern von der »Nationalen Sicherheit«. Während Vosen mit seiner Kollegin Pam Landy darüber streitet, was mit Bourne zu machen sei, ihn zu töten (was sein Plan ist) oder aber ihn lebend zu stellen, um die Geheimnisse zu lüften (was sie will), ist Bourne seinen Verfolgern immer wieder einen Schritt voraus. »Treadstone« mag eine Sache der Vergangenheit sein, aber dafür gibt es jetzt ein neues CIA-Geheimprogramm namens »Blackbriar«, das mit Wissen des Chefs der Behörde läuft, wie eine Szene beweist.

Paul Greengrass, der bereits den zweiten »Bourne«-Film inszeniert hat, setzt diesmal auf ein gnadenloses Tempo und erzeugt damit einen Adrenalinrausch, der den Zuschauer nach knapp zwei Stunden Laufzeit erschöpft zurücklässt, zumal er keine Verschnaufpausen mehr kennt, wie etwa jene, ziemlich zu Beginn seines Vorgängers, in der Bourne nach dem Mordanschlag Abschied nahm von seiner Geliebten. Unterstrichen wird dieses Rauschhafte noch dadurch, dass Greengrass die Kamera mitten im Geschehen postiert, eine Erzähltechnik, die er auch bei seinem – zwischen den beiden »Bourne«-Filmen gedrehten – Werk »United 93« anwendete, auch dort verknüpft mit einer Parallelmontage (zwischen dem Geschehen in dem entführten Flugzeug und dem am Boden). Greengrass, der vom Dokumentarfilm kommt, hat sich dieser Technik aber auch schon bei »Bloody Sunday« bedient, mit dem er 2002 den Goldenen Bären auf der Berlinale gewann. Schon dort suggerierte dieses Verfahren Realismus durch Nähe und Unmittelbarkeit, eine eher fragwürdige Gleichung, wenn man auch zugeben muss, dass diese Methode zu den »Bourne«-Filmen passt, zur gleich zweifachen Doppelgesichtigkeit, die in der Figur Jason Bourne angelegt ist: zum einen ein Mann mit Amnesie, der einst ein anderer war und vielleicht wieder zu diesem werden könnte, zum anderen im Alltag ein unscheinbarer regular guy, der in Wirklichkeit eine durchtrainierte Killermaschine mit außerordentlich entwickelten Instinkten und der Fähigkeit ist, blitzschnell auf ungewohnte Situationen zu reagieren und mit den – immer höchst begrenzten – gegebenen Mitteln etwas zu improvisieren.

Das lässt ihn auch als interessanten Kontrast zu jenem Agenten mit der Doppel-Null erscheinen. Wie Bond wechselt Bourne Städte, Länder, Kontinente im Minutentakt, wenn es die Geschichte erfordert – anders als Bond bleibt ihm keine Zeit, deren Sehenswürdigkeiten zu genießen, ebenso wenig wie für Liebestechtelmechtel. Die »Bourne«-Filme sind nicht unbedingt realistischer, aber doch funktionaler. Sie haben nicht den demonstrativen Gestus, mit dem der Aufwand in den Bond-Filmen ausgestellt wird. Und: wo Bond dem System unhinterfragt dient, opponiert Bourne gegen ein System, das ihn benutzt hat und jetzt umbringen will, weil er die schmutzigen Geschäfte dieses Systems zu enthüllen droht. Man muss ihn nicht gleich als »Anti-Bond« etikettieren, um zu sehen, dass darin ein Teil seiner Attraktivität für ein intellektuelleres Publikum liegt.

»The Bourne Identity« (2002), »The Bourne Supremacy« (2004), »The Bourne Ultimatum« (2007): Mit dem Ende des dritten Films schließt sich ein Kreis – allerdings mit der Möglichkeit, dass dies noch nicht das letzte Auftauchen von Jason Bourne war. Der in die Länge gedehnte Moment am Ende, als ein regloser Bourne in den Fluten des Hudson River treibt, ist dabei nicht nur Suspense, sondern hat auch etwas Selbstreflexives, als würde der Regisseur wie bei den Gladiatorenkämpfen die Frage stellen: »Wollt ihr, dass er lebt?« Von den Blockbuster-Filmen, die in diesem Sommer ihre dritte Ausgabe sahen, ist dies der intelligenteste, vielleicht liegt darin eine (Teil-)Antwort auf diese Frage.

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