Kritik zu Cobain

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In der Coming-of-Age-Geschichte der Niederländerin Nanouk Leopold versucht ein 15-Jähriger seine drogensüchtige, schwangere Mutter zu retten

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Es sind nicht viele Sätze, die in diesen gut 90 Minuten fallen. Denn es sind die Bilder, die immer wieder das Gesicht des 15-jährigen Cobain (Bas Keizer) in den Fokus rücken, von Unschärfe umgeben, wie in einem Kokon wandelt er umher, durch eine Welt, in der er noch keinen Platz gefunden hat, die ihm erst einmal auch keinen Platz zugesteht, an dem er sich wohl fühlt. Diese Bilder erzählen Cobains Geschichte. Doch die wenigen Sätze, sie lassen erschaudern: »Mach ich mir Sorgen um dich?«, schreit Cobains drogensüchtige Mutter Mia (Naomi Velissariou) ihn an. »Ich bin ich und du bist du und wir sind beide okay«, fährt sie fort und lässt ihn auf der Straße stehen. Der Zuhälter Wickmeyer (Wim Opbrouck), für den Cobain irgendwann als Laufbursche arbeitet, stellt nüchtern fest: »Du siehst aus wie ein Hund, der ein Herrchen sucht«, und trifft damit den Kern. Cobain selbst, für den sich trotz seines Alters noch eine Pflegefamilie findet, bei der es ihn nicht einmal eine Nacht hält, sagt über seinen Namen: »Wer heißt schon gerne wie einer, der sich in den Kopf geschossen hat?« Es sind Sätze voller Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit.

Cobain irrt durch die Welt auf der Suche nach einem Halt, nach Menschen, denen er vertrauen kann, bei denen er sich aufgehoben fühlt. Seine Mutter ist das nicht. Sie war es nie. Er nennt sie ausschließlich Mia, niemals Mama. Sie hat ihn bekommen, da war sie vielleicht so alt wie Cobain jetzt, lebt mal hier mal da, hat einst für Wickmeyer angeschafft, von den Drogen ist sie nie losgekommen. Nun ist sie wieder schwanger – und Cobain will sie und seinen ungeborenen Bruder retten. Zunächst findet Cobain Unterschlupf bei Wickmeyer. Die jungen Prostituierten belächeln und bemuttern ihn. Es ist ein kleines Stück Zuhause und Geborgenheit.

Einmal, da wühlt Cobain im Schminktäschchen von Adele (Dana Marineci), legt Lidschatten auf, malt sich sie Lippen nach. Eine Szene, die berührt und verstört. Warum tut er das? Will oder soll er selbst anschaffen gehen? Eine Ahnung, die den Zuschauer immer mal wieder beschleicht, dann aber nicht erfüllt wird. Es ist eine der vielen Leerstellen, bei der es die niederländische Regisseurin Nanouk Leopold so häufig belässt, um zur nächsten Szene zu gleiten, ganz leicht, vom Zufall getrieben. Denn Cobain findet in dem Täschchen auch einen dicken Batzen Geldscheine, das Adele offensichtlich nicht an Wickmeyer abgeben hat. Damit er sie nicht verrät, schläft sie mit ihm – es ist sein ungelenkes erstes Mal. Es werden weitere folgen. Auch das ein stilles Abkommen.

Irgendwann entscheidet sich Cobain, seine Mutter aus dem Elend zu ziehen. Er geht mit ihr zur Gynäkologin, besorgt Methadon und schafft sie in ein Wochenendhaus irgendwo im Wald. Es kommt zu einem drastischen, schockierenden und doch versöhnlichen Ende. Nicht immer wirklich konsequent erzählt, mal hierhin, mal dahin ausschweifend, aber mit großartigen Bildern insbesondere ihres Hauptdarstellers Keizer, den die Kamera mal kindlich-verletzlich, mal jugendlich stark einfängt, schafft Leopold eine ungewöhnliche Mutter-Sohn- und Coming-of-Age-Geschichte.

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