Kritik zu Churchill

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Jonathan Teplitzky zeigt den legendären britischen Premierminister, hier verkörpert von Brian Cox, in den schwierigen Tagen vor dem D-Day

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Es ist keine überraschende Erkenntnis: Wenn die Welt aus den Fugen zu geraten droht, richtet sich das Augenmerk auf die guten alten Zeiten. Auf Zeiten, in denen sich noch problemlos zwischen Gut und Böse unterscheiden ließ und man aufblicken konnte zu Politikern und Staatsoberhäuptern, die mit Entscheidungswillen und Aufrichtigkeit durch schwerste Krisen führten. Deswegen taugt selbst ein Lyndon B. Johnson, dem Rob Reiner gerade ein ganzes Biopic widmet, inzwischen als Kinoheld, und deswegen begeistert auf Netflix eine Serie wie »The Crown«, deren Protagonistin Queen Elizabeth heute als letzte lebende Ikone einer untergegangenen Ära gilt. Und so erklärt sich auch die Existenz von Churchill, Jonathan Teplitzkys Film über den legendären britischen Premierminister, dem in Gestalt von John Lithgow auch in »The Crown« schon eine Schlüsselrolle zukam.

Im Kino ist es nun Brian Cox, der sich mithilfe von Make-up und Requisiten wie Hut, Stock und Zigarre überzeugend und sehenswert in Winston Churchill verwandelt. Wie heutzutage üblich, konzentriert sich auch »Churchill« bloß auf einen kleinen Ausschnitt der Biografie seines Pro­tagonisten. Einen sehr kleinen, um genau zu sein, denn der Film spielt ausschließlich in den Tagen und Stunden vor dem D-Day, also der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944. Keine leichte Zeit für den Premier, der nicht zuletzt durch die ihn quälenden Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg Vorbehalte gegen die Strategie von Eisenhower (John Slattery) hat, aber gegen den Willen seines Königs und der militärischen Befehlshaber kaum etwas ausrichten kann.

Teplitzky und seine Drehbuchautorin Alex von Tunzelmann sehen keine Notwendigkeit, ihre Geschichte mit einer zweiten Deutungsebene oder Referenzen an heutige politische Umstände aufzuladen. »Churchill« ist kein Kommentar zum Brexit oder zu Populisten wie Trump oder Le Pen, sondern er verneigt sich lediglich vor einem herausragenden Exemplar jener Führungspersönlichkeiten, wie sie heute kaum noch zu existieren scheinen.

Dass Teplitzky, der nach »The Railway Man« vor allem Serienfolgen bei »Broadchurch« oder »Marcella« inszenierte (und womöglich von dort den Hang zu musikalischer Daueruntermalung übernahm), seinen unaufgeregt-gediegenen Film ein wenig als Wettlauf gegen die Zeit inszeniert, ist nur bedingt effektiv, schon allein weil man den Ausgang der Situation kennt. Interessanter als die politische ist ohnehin die private Seite Churchills, auch wenn sich beides bei ihm kaum sauber trennen lässt. Aber die stärksten Momente des Films sind sicher die, in denen er im pinken Bademantel um Ruhe und göttlichen Beistand ringt, unbeobachtet sogar mal Tränen vergießt oder sich ansonsten mit Ehefrau Clementine (Miranda Richardson) auseinandersetzt. Wem das allerdings immer noch nicht genug Churchill-Nostalgie ist: Bereits in einigen Monaten kehrt er in Joe Wrights »Darkest Hour« erneut auf die Leinwand zurück, dann gespielt von Gary Oldman

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