Kritik zu Chloe

© Kinowelt

Wie heißt es doch so schön? Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft: Atom Egoyan, der Spezialist für unwohle Gefühle, hat sich von Anne Fontaines »Nathalie« inspirieren lassen

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Der Anfang von »Chloe« scheint virtuos: In der Titelsequenz sehen wir eine junge Frau, offenbar ein Callgirl, das sich zurechtmacht für ihren Job. Nach getaner Arbeit verabschiedet sie sich mit einem Kuss von einem älteren Mann. Eine Szene, die wiederum von dem Fenster einer Praxis aus beobachtet wird – von Catherine (Julianne Moore), der Betreiberin dieser Praxis, einer Gynäkologin.

Für Catherine ist die Szene in gewisser Weise eine gefürchtete Lieblingsfantasie. Gemeinsam mit ihrem Mann David (Liam Neeson), einem Musikprofessor, und ihrem Sohn Michael (Max Thieriot) lebt sie in einem schicken Haus in Toronto. Die Dekors sind erlesen, erweisen sich aber bald als brüchige Fassade. David, der eben noch mit leuchtenden Studentinnenaugen gescherzt hat, ruft Catherine an, um mitzuteilen, dass er sein Flugzeug verpasst habe – am Abend seines Geburtstags. Am nächsten Morgen wird er ihr erklären, dass er seinen Geburtstag nur ungern feiere, aber Catherine wird ihm nicht glauben und auf seinem Handy ein Foto mit leuchtenden Studentinnenaugen und dem Satz »Danke für den schönen Abend« entdecken.

Das Kino des Atom Egoyan hat immer die Kluft gefüllt, die zwischen der Ratio der wirklichen Welt liegt und dem Reich, in dem Gefühle eine andere Erzählung dieser Welt bedingen. Sein vielleicht bester Film, »Das süsse Jenseits« von 1997, handelt von einem Schulbusunglück, an dessen Fatalismus ein Versicherungsvertreter nicht glauben kann und deshalb zugrunde geht. In »Chloe« ist es in gewisser Weise umgekehrt: Catherine zwingt einer Realität ihre Gefühle auf, die sie schließlich nicht mehr aushalten kann.

Die Eifersucht mit ihrem Hang zur negativen Aufklärung führt Catherine zu Chloe (Amanda Seyfried), dem unbekannten Callgirl vom Beginn. Die junge Frau soll David Avancen machen, um so zu beweisen, was Catherine längst vermutet. Sie setzt so einen Prozess in Gang, der sich als sich selbst erfüllende Prophezeiung erweist – zumindest wenn man den Berichten von Chloe glaubt.

Zur Gefühlsverwirrung von Catherine trägt bei, dass sie sich von den Erzählungen Chloes selbst angezogen fühlt und kurzzeitig hinreißen lässt. Plötzlich ist sie es, die sich von David Fragen nach einer Affäre gefallen lassen muss. Es spricht nicht für die Avanciertheit des Drehbuchs (Erin Cressida Wilson), dass sich Catherine das als Schuld auslegt. Der Film zeigt sie als ganz auf ihren Mann bezogene Frau, der jeder selbstständige Versuch, die Kühle der Beziehung zu überwinden, als Schritt vom Wege angekreidet wird.

So sehr beschäftigt »Chloe« den Zuschauer mit Indizien und falschen Fährten, dass einen nach und nach das Gefühl beschleicht, Egoyans Puzzlespiel könnte auch einen ganz anderen Sinn ergeben – dann wäre die Eröffnungsszene, in der sich Chloe die Strümpfe anlegt, jedoch kein Ausdruck von Erotik, sondern lediglich eine distinguierte Spielart von Altmännerräudigkeit.

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