Kritik zu Charlotte Rampling: The Look

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2011
Original-Titel: 
The Look
Filmstart in Deutschland: 
20.10.2011
L: 
94 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Die deutsche Regisseurin Angelina Maccarone Fremde Haut«) hat sich einer Ikone des internationalen Kinos genähert. In »The Look« lässt Charlotte Rampling ihre vierzigjährige Karriere Revue passieren – aber das hat nichts Nostalgisches

Bewertung: 4
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Von Robert Mitchum stammt der Spruch, dass einem von Charlotte Ramplings durchdringenden Blicken das Klappmesser in der Hose aufginge. Es ist nur eine Drehbuchzeile in der Chandler-Verfilmung Fahr zur Hölle, Liebling (1975), aber sie verewigte Rampling in der Halbwelt der harten Burschen und Femmes fatales. Charlotte Rampling würde sich an einem solch zweifelhaften Kompliment wahrscheinlich nicht einmal stoßen. »Schauspieler«, sagt sie in dem Filmporträt The Look von Angelina Maccarone, »sind Projektionsflächen für vielerlei Begehren. « Rampling hat diese Begehren in ihren Filmen immer wieder bedient – und im entscheidenden Moment gegen den Betrachter gewendet. In Liliana Cavanis »Der Nachtportier« (1974) spielt sie eine ehemalige KZ-Insassin, die sich nach dem Krieg auf eine sadomasochistische Beziehung mit ihrem früheren Peiniger einlässt. In dem SF-Film »Zardoz« (1974) hält sie männliche Sexsklaven als Zuchtbullen. (In Erinnerung geblieben ist indes Sean Connerys knapper Fell-Lendenschurz.) Und in Oshimas »Max mon amour« (1986) nimmt sie sich einen Schimpansen als Liebhaber. Rampling war sich auch für Rollen in Hollywood nie zu schade, aber ihre Auswahl an Filmen und Regisseuren lässt eine europäische Sensibilität erkennen, die sie sich in vierzig Jahren Schauspielerei bewahrt hat.

Rampling erweist sich wie zu erwarten als dankbare Gesprächspartnerin. Maccarone greift nur unwesentlich in ihren Gedankenfluss ein. Für ihr Porträt hat sie Rampling mit alten Freunden und Kollegen zusammengebracht. Mit den Fotografen Peter Lindbergh und Juergen Teller spricht sie über das Ausgesetzt- Sein und Tabus (darin ist Rampling wahrlich eine Expertin), Paul Auster verwickelt sie in ein hochinteressantes Gespräch über das Altern, und ihrem Sohn Barnaby Southcombe erklärt sie ihr Verständnis von Resonanz in der künstlerischen Arbeit.

Die Auswahl der Begriffe ist für das Oeuvre Ramplings recht naheliegend, und die Gliederung des Filmporträts in Kapitel, die sich jeweils einem Schlüsselbegriff ihrer Arbeit widmen, wirkt ein wenig formelhaft – wenn auch die Sets der Interviews durchaus von Humor zeugen (mit ihrem Sohn steigt sie in den Boxring). Aber Rampling reden zu hören, mal amüsiert, manchmal auch irritiert – hier kommt eine leichte Attitüde zum Vorschein, die sie gewöhnlich geschickt verbirgt –, aber stets selbstkritisch, ist ein Genuss. Die Begriffe, die mit Filmausschnitten illustriert werden, fungieren als Wegmarken durch eine bewegte Karriere. Doch eigentlich erzählt »The Look« davon, wie man sich künstlerisch treu bleibt. Sinnlichkeit, sagt Rampling einmal bezüglich ihrer früheren Modelkarriere, sei das höchste Gut künstlerischer Arbeit. Schönheit ist vergänglich, aber ihrer Sinnlichkeit dürfe sich eine Schauspielerin nie berauben lassen.

Der Titel von Maccarones Film ist also doppeldeutig zu verstehen. Er spielt natürlich auf Ramplings eisgraue, medusenhafte Augen an, die unter tiefen Lidern eine fast abschätzige Erotik signalisieren, bezieht sich aber auch auf ihr eigenes Verständnis als selbstbestimmtes Objekt des Begehrens in einem gesellschaftlichen Klima rein äußerlicher Werte. In Hollywood wäre sie wohl längst auf matriarchale Rollen festgelegt. Rampling aber ist es immer wieder gelungen, sich dank Regisseuren wie François Ozon, Laurent Cantet oder Lars von Trier neu zu erfinden. Ohne diese Freiheit, sagt sie in »The Look«, hätte sie schon vor langer Zeit das Interesse an der Schauspielerei verloren.

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