Kritik zu Candelaria – Ein kubanischer Sommer

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Mit seinem bezaubernden Film über ein altes kubanisches Paar schafft der kolumbianische Regisseur Jhonny Hendrix Hinestroza ein kleines Juwel, das die Liebe und das Leben feiert

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In Kuba, da ist alles voller heißer Rhythmen, knalliger Farben und lebensfroher Leichtigkeit, so das Klischee. In Kuba, so sagt Victor Hugo (Alden Knight), da lauert der Tod überall. Er spricht von dem Leben auf der karibischen Insel in den 90er Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, der Zeit des Embargos, der Armut. Die abendliche Suppe ist mehr als dünn, manchmal gibt es Möhren. Oft fällt der Strom aus, doch Glühbirnen gibt es ohnehin nur selten. Es ist ein spärliches, ja ein ärmliches Leben, das Victor Hugo und seine Frau Candelaria (Verónica Lynn) führen. Er arbeitet als Vorarbeiter in einer Zigarrenfabrik, wo er schon mal ein paar mitgehen lässt, und Candelaria in der Wäscherei eines Hotels. Abends singt sie in einer Band für Touristen. Die beiden sind alt, Victor Hugo war einst ein begeisterter Baseballspieler, manchmal versucht er es noch, doch das Bein schmerzt. Candelaria versucht aus dem Wenigen etwas zu machen. Für ihre Auftritte leiht sie sich Kleider aus der Wäscherei – von einer ­Kollegin vermittelt. Candelarias Freude sind fünf Küken, die sie liebevoll aufzieht und vor der Polizei versteckt, aus Angst davor, angeklagt zu werden, der Allgemeinheit wichtige Lebensmittel vorzuenthalten.

Etwas schroff gehen die beiden miteinander um, routiniert, doch auch irgendwie liebevoll. Als Candelaria in der Hotelwäsche eine Videokamera findet, bekommt ihr ­Leben eine vitalisierende Facette hinzu. Sie beginnt, sich für Victor Hugo zu filmen, er antwortet wiederum mit Aufnahmen von sich, schließlich filmen sie sich gemeinsam. Doch irgendwann landet die Kamera samt Aufnahmen bei dem Dealer El Hormigueo (Philipp Hochmair), der ganz angetan ist von den kleinen Erotikfilmchen, die er vermarkten will. Angelockt von dem vielen Geld willigt das alte Paar ein. Doch El Hormigueo ist mit dem Nachschub nicht zufrieden und schon ist es mit dem vielen schnellen Geld zu Ende. Candelaria und Victor Hugo aber haben sich neu entdeckt, die Liebe zueinander und die Freude am Leben – vor allem haben sie die tödliche Krankheit vergessen, die einen von ihnen bedroht.

Der kolumbianische Filmemacher Jhonny Hendrix Hinestroza schafft einen Film wie ein beschwingter Tanz. Die zierliche, einst wohl hübsche, sehr helle Candelaria hat immer ein verschmitztes Lächeln auf dem Gesicht, scheut aber auch keinen Wutausbruch. Victor Hugo, einst ein stattlicher schwarzer Mann, wirkt gebrechlich und dabei so sanft und liebevoll. Aus dem Off ist er es, der mit sonorer Stimme über das Leben auf Kuba sinniert. Viel erfährt der Zuschauer über das Land und über die Menschen. Natürlich sind da auch viele kubanische Rhythmen, da ist der morbide Charme Havannas, aber auch das raue Meer, die staubigen Straßen und die große Armut. Und doch verfällt der Regisseur nicht in Klischees, sondern erzählt eine Liebes- und Lebensgeschichte mit Traurigkeit und Freude zugleich – mal ganz leise, mal etwas lauter, und immer mit einer respektvollen Liebenswürdigkeit für seine Figuren.

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